Grüne uneins über Selbstbestimmung

■ Bundesvorstand forderte Anerkennung der DDR und doppelte Staatsbürgerschaft / Fraktion diskutiert Unterstützung

Bonn (taz) - In der Deutschlandpolitik sind sich die Grünen weiterhin nicht einig. Streitpunkt ist die Frage, wie das Selbstbestimmungsrecht der DDR verstanden werden müsse. Der Bundesvorstand forderte gestern die Anerkennung der DDR und einer doppelten Staatsbürgerschaft, die Bundestagsfraktion diskutierte dagegen am gestrigen Nachmittag einen Antrag für den Bundestag, bei dem die Unterstützung der Reformbewegung im Mittelpunkt steht, eine Zweistaatlichkeit aber nicht einmal erwähnt wurde. Zugleich wird von den grünen Parlamentariern der von der SPD geforderte „runde Tisch“ abgelehnt: in Osteuropa sei dies ein Symbol demokratischer Erneuerung, in der Bundesrepublik „Ausdruck der Ängstlichkeit“, sagte Fraktionssprecherin Antje Vollmer. Notwendig sei eine öffentliche Debatte, nicht bürokratische Maßnahmen hinter verschlossenen Türen, heißt es in dem Antrag. Der Abgeordnete Dietrich Wetzel sprach davon, der „runde Tisch“ würde zum „Wiedervereinigungssog“ beitragen. Er betonte aber gleichzeitig, es müsse auch anerkannt werden, wenn eine demokratisch legitimierte Regierung in der DDR eine Zusammenarbeit mit der BRD bis hin zur Wiedervereinigung anstrebe. Zugleich wurde ein Brief des Abgeordneten Alfred Mechtersheimer bekannt, der den Grünen „Verrat“ an der Wiedervereinigungsoption vorwirft.

Vorstandssprecher Ralf Fücks hatte erklärt, die Wiedervereinigung sei „eine Metapher für das Scheitern eines eigenen Reformweges“ in der DDR. Der Bundesregierung wirft die Partei vor, sie betreibe eine „Politik der Verwandlung der DDR in eine Filiale der BRD“. Zur Anerkennung der Selbstbestimmung der DDR müsse eine „Selbstbeschränkung“ durch die Bundesrepublik treten, damit es zu keiner politischen und ökonomischen Hegemonie komme. Die Grünen wollten „Kooperation ohne Erpressung“ und lehnen einen „Systemexport des Kapitalismus“ ab. Allerdings sei bei dem Wirtschaftsumbau in der DDR eine Vielfalt an Eigentumsverhältnissen vorstellbar. „Großzügige“ humanitäre Hilfe ohne jede Bedingung fordern die Parlamentarier. Die Partei will die DDR-Reformen durch eine Reduzierung des Militärhaushalts und durch Wegfall der Steuerreform finanzieren.

gn