Swapo siegt - aber dennoch patt

Swapo gewinnt Wahlen, verfehlt aber 2/3-Mehrheit DTA und rechte weiße Partei können blockieren  ■  Aus Windhuk Hans Brandt

Zehntausende von NamibierInnen feierten gestern im ganzen Land übermütig den klaren Sieg der südwestafrikanischen Volksorganisation Swapo bei der in der letzten Woche abgehaltenen Unabhängigkeitswahl in Namibia. Obwohl das endgültige Ergebnis bis zum Nachmittag noch nicht bekannt war, hatte die Swapo schon eine deutliche Mehrheit von etwa 57 Prozent erreicht. Eine Zweidrittelmehrheit in der 72 Sitze umfassenden verfassungsgebenden Versammlung konnte die Partei jedoch nicht erreichen. Die Ex-Befreiungsbewegung kann die Verfassung für ein unabhängiges Namibia also nicht selbständig formulieren.

Nächstgrößte Partei ist die „Demokratische Turnhalle Allianz“ (DTA), die überraschend etwa 27 Prozent der Stimmen sammelte. Die „Vereinigte Demokratische Front“ (UDF) erreichte knapp sechs Prozent der Stimmen. Die Swapo wird 42 Mandate erhalten wird, die DTA 21 und die UDF 4. Die von konservativen Weißen gegründete „ACN“ (Aktion Christlich National) erhält drei Mandate, während die übrigen zwei Mandate den Kleinstparteien SCN und NPF zufallen. Das bedeutet, daß DTA und ACN gemeinsam ein Drittel der Stimmen kontrollieren. Mit einem zusätzlichen Mandat könnten sie alle Vorhaben der Swapo blockieren.

Das Ergebnis wurde erst gestern Vormittag deutlich, nachdem die Stimmverteilung in Ovamboland (im Norden des Landes) bekannt wurde. Dort erreichte die Swapo 80 Prozent der Stimmen - weniger als erwartet. Im Ovamboland leben 35 Prozent aller WählerInnen. Fortsetzung auf Seite 2

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So konnte die Swapo mit der Beherrschung dieser Region die Wahl für sich entscheiden. Nur in drei anderen Wahlbezirken konnte Swapo knapp 50 Prozent der Stimmen erreichen.

Dennoch feierten Swapo-Unterstützer mit überschwenglicher Freude den Sieg. In Windhuk fuhren stundenlang Schlangen von hupenden

Autos, überfüllt mit Swapo-Anhängern, die Kaiserstraße auf und ab. Hunderte tanzten singend die Straße entlang, und der Verkehr in der Hauptstraße der Stadt kam zum Stillstand. „Jetzt haben wir die Buren vertrieben“, rief ein schweißüberströmter Mann, der eine Swapo-Fahne schwengte. „Namibia gehört jetzt uns!“ jubelte eine Frau, die sich wagemutig aus dem Fenster eines fahrenden Autos heraushängte. Mehrere Tausend Menschen waren auf der Straße. Doch obwohl ein

zelne DTA-Anhänger ebenfalls auftauchten, kam es zu keinen Auseinandersetzungen.

In Katutura, dem Schwarzenghetto außerhalb von Windhuk, versammelten sich immer wieder Gruppen von mehreren Hundert Swapo-Wählern, die dann die drei Kilometer in die Stadt marschierten. Zeitweise wurde mein Auto von Swapo-Anhängern „beschlagnahmt“ und mit Fahnen und Postern geschmückt. Immer wieder liefen Bekannte auf meine „Passagiere“ zu,

umarmten sie und schüttelten minutenlang ihre Hände.

Indessen schauten Hunderte von Weißen aus Geschäftsgebäuden an der Kaiserstraße zu. Die Polizei versuchte anfangs, die Straße frei zu halten, beschränkte sich später jedoch auf die Absperrung des zentralen Abschnitts der Straße. Im übrigen ließ sie die Straßenfeiern zu. Polizeibeobachter der „United Nations Transition Assistance Group“ (UNTAG) waren überall präsent.

Das Ergebnis war für Swapo aller

dings eher enttäuschend. Die breitgefächerte Unterstützung im ganzen Land, die die Organisation erwartet hatte, stellte sich nicht ein. In den ehemaligen Kriegsgebieten im Norden Namibias, an der Grenze mit Angola, schnitt die Organisation auch in Gegenden, wo die DTA stark ist, gut ab. Die Bevölkerung stimmte dort deutlich für die Freiheit von den südafrikanischen Besatzern, also für die Swapo, die als einzige gegen die Südafrikaner gekämpft hatte.

Im Süden Namibias schnitt Swapo

nur in Beziken gut ab, in denen es viele Wanderarbeiter aus dem Ovamboland gibt. Sonst ging dort die Wahl zugunsten der DTA, ACN oder UDF. Als wichtiger Faktor werden dabei die schweren Foltervorwürfe gegen Swapo angeführt. Die Organisation hatte jahrelang in Gefangenenlagern Dissidenten gefoltert und zum Teil ermordet. Allgemein verlief die Wahl entlang ethnischer Trennlinien - Ovambos für Swapo, Weiße für ACN, Weiße, Mischlinge und Hereros für DTA.