S I C H T V E R M E R K

■ Lila Pause im kalten Krieg

Das BVG-Personal im Wiedervereins-Taumel, warum sonst hört man im U-Bahn-Gewölbe Kochstraße zeitweilig nicht mehr die obligatorische Abfertiger-Durchsage: „Letzter Bahnhof in Berlin-West?“

Fünf Millionen DDR-Bürger wollen wieder völlig rücksichtslos die gerade erkämpfte Reisefreiheit nutzen. Eine Umfrage der taz an Berlins Kontrollpunkten und beim ADAC ergab: auch am kommenden Wochenende keine Reisefreiheit mehr für West-Berliner. Bei der Einreise Richtung Hamburg gab es letztes Wochenende Wartezeiten bis zu drei Stunden. In Richtung Frankfurt a.M., Nürnberg und München (Wartezeit bis zu 14 Stunden) entlasten jetzt zwar zwölf neue Grenzübergänge, trotzdem werden West-Fahrer mehrere Stunden zwischen Zweitaktern festsitzen.

„Im westlichen Teil der Stadt halten Kühlschränke die Ware frisch“, stellt Geschäftsführer Strathmann vom KaDeWe lakonisch fest und empfiehlt uns Wessies, wegen des Ostler -Ansturms „die Einkäufe fürs Wochenende schon heute zu machen“.

Neue Strategien zum Anbaggern. Sonntagnacht war Joachim D. auf Piste, wo er seinem dem Pfefferminzprinz für eine Nacht begegnete. Der hatte erst mal nur einen Wunsch: „Ick bin von drüben, kann ick heut‘ nacht bei dir pennen?“ Joachim sagte ja, zu Hause wurde es gemütlich, und das Geständnis folgte auf den Climax: „Ick bin bin ja nich von drüben.“

Wenn der Sachse zum ersten Mal Rolltreppe fährt und zögerlich-ängstlich an der Rampe die laufenden Stufen unter sich sieht, dann hilft letztlich nur ein Schlußsprung - und dem vor ihm fahrenden Mitkonsumenten, dem er in die Kniekehlen fiel, hilft nur Marx-Engels-Geduld.

Die echten Schwestern von drüben, die am kommenden Wochenende massenhaft erwartet werden, die erwarten auch einige einschlägige Überraschungen der Berliner Aids-Hilfe: Infoblätter zur Safer Sex-Aufklärung samt Kondom-Pack werden Freitag- und Samstagnacht vor Andreas‘ Kneipe, am Golfstrom und vor dem SchwuZ verteilt. Motto der Aktion für die Ost-Schwestern: „Ihr werdet hier viel Positives erleben, aber auch vielen Positiven begegnen.“

Beim Versuch, die Mauer und das Brandenburger Tor wegzufotografieren und zu -filmen, konnte der schaulustige Durchhalteberliner von Dienstag abend/nacht bis Mittwoch morgen Fersehteams und Fotografen aus aller Welt beobachten. Will the gate be opened? Vor der Mauer hatten die Sender - jeder mit eigener Satellitenschüssel, eigenem Kran für Luftaufnahmen und den entsprechenden Dieselgeneratoren für die Stromversorgung - eine schöne breite Blockadebarrikade errichtet. Auch tazler waren wie immer dabei, warteten stundenlang vergebens und ließen sich von einem Kollegen der elektronischen Medien zum Narren halten. „Wir haben zwei voneinander unabhängige sichere Quellen, daß um halb eins oder um vier Uhr die Mauer eingerissen wird“, meinte der. Die Quellen dürfe er nicht nennen. Jetzt werde er erst mal nach Hause fahren und den dünnen Trench gegen dicke Wollware tauschen, es werde noch eine lange Nacht. Die frierenden tazler zogen lieber gleich ganz ab und triumphierten am Morgen, noch in den warmen Federn, über den journalistischen Geheimnistuer. Bääätsch. War noch zu.

Stadtautobahn - in Leipzig unbekannt. Ein 47jähriger Berlin -Besucher aus der Messestadt ist am Dienstag abend angefahren und schwer verletzt worden, als er in Halensee über die Stadtautobahn lief. Nach Angaben der Polizei wurde der Mann trotz einer Vollbremsung von einem Pkw erfaßt. Ein weiteres Auto fuhr auf das bremsende Fahrzeug auf. An beiden Wagen entstand erheblicher Sachschaden.

Anne Klein hört auf Ute Scheub, die am Dienstag in der taz gefordert hatte, das Brandenburger Tor zum Treffpunkt aller Kleinkünste und -künstler zu machen, statt den symbolheftigen Ort den Rechten zu überlassen. Nun fordert auch die Frauen- und Jugendsenatorin „ein innerstädtisches Freudenfest“. O-Ton Presseerklärung: „Ich stelle es mir sehr schön vor.“

taz