Gewerkschaft gibt nach

■ Am heutigen langen Donnerstag erstmals auch zwei Kaufhäuser geöffnet / Gewerkschaftsfront bröckelt

Die Front der Gewerkschaftler gegen einen langen Donnerstag bröckelt: Erstmals haben heute zwei Kaufhäuser bis 20.30 Uhr geöffnet, nämlich Karstadt Schloßstraße und Hertie Siemensstadt. Mit dem Ansturm konsumhhungriger DDR-Bürger durch die Mauer direkt auf die gefüllten Regale der Warenhäuser haben diese Entscheidungen aber nichts zu tun.

Die Geschäftsleitungen führten nämlich schon lange vor Öffnung der Mauer Verhandlungen mit den Betriebsräten. Einen Streik der Gewerkschaften HBV und DAG wird es allerdings nicht geben, „weil es keine Zustimmung in der Bevölkerung geben würde“, so DAG-Vorsitzender Bartz gestern zur taz.

Bartz erklärt das Umfallen des Betriebsrates bei Karstadt mit der „besonderen Situation“, weil am Donnerstag bereits das Forum-Steglitz und zwei Textilhäuser bis 20.30 Uhr geöffnet haben. Der Betriebsfrieden ist in der Schloßstraße allerdings dahin: Sechs von insgesamt elf Betriebsratsmitgliedern sind zurückgetreten. Jetzt wird nachgerückt, und die Geschäftsleitung kann mit den neuen Gewerkschaftern zufrieden sein - eine neue Abstimmung soll es nicht geben.

In welchen Konsumtempeln die Gewerkschaftsfront weiter bröckelt, ist noch unklar. Bei Karstadt Wilmersdorf ist sogar Geschäftsführer Singer gegen einen langen Donnerstag und will „weiterhin um 18.30 Uhr schließen, denn die Belastung der Mitarbeiter ist jetzt schon sehr hoch“. An den kommenden beiden Samstagen werden allerdings die Warenhäuser länger geöffnet haben. Sozialsenatorin Stahmer gab vorgestern dafür die Erlaubnis. Unter welchen Bedingungen die Betriebsräte bei den gestrigen Verhandlungen mit der Chef-Seite Stahmers Ausnahmeregelung zustimmten, war bis Redaktionsschluß noch nicht entschieden.

diak