Autobahn nach Dresden?

■ Bausenator Nagel will Weiterbau der Neuköllner Autobahn überprüfen lassen / Umweltsenatorin Schreyer ist „im Moment“ noch dagegen

Der Weiterbau der Autobahn nach Neukölln ist im Senat kein Tabu mehr. Das bisherige „Ende der Neuköllner Autobahn“ an der Gottlieb-Dunkel-Straße sei „aus regionaler Betrachtung fragwürdig“, erklärte SPD-Bausenator Nagel gestern vor Journalisten. „Dringend“ müsse die „Einbindung“ des Autobahnendes „in das gesamtstädtische Straßennetz überprüft werden“, sagte der SPD-Politiker weiter. Das könnte auch den Bau der vom alten Senat geplanten Autobahnverlängerung bedeuten, bestätigte gestern Nagels Planungsreferent Günther Fuderholz. In der Koalitionsvereinbarung hatten SPD und AL das Autobahnprojekt noch abgelehnt.

Nagel-Referent Fuderholz begründet den Vorschlag seines Senators mit den Fahrzeugen, die künftig aus Treptow und dem Ostberliner Industriegebiet Rummelsburg auf den Westberliner Stadtring drängen könnten. Nahe der Grenze zu Neukölln führe in Ost-Berlin außerdem eine wichtige Ausfallstraße nach Südosten, über die beispielsweise Dresden erreicht werde. Würde der Stadtring in Neukölln verlängert, sei es deshalb „sinnvoll“, die Autobahn bis über die Grenze zu führen und sich nicht auf die vom alten Senat geplanten zwei Kilometer zwischen Gottlieb-Dunkel- und Ballinstraße zu beschränken. Neu ist diese Idee freilich nicht. Schon Ex-Umweltsenator Starnick hatte im Flächennutzungsplan (FNP) eine „Trassenfreihaltung“ zwischen Ballinstraße und Grenze einzeichnen lassen - für den Fall „offenerer Grenzen“.

Nagels Vorstoß wurde gestern im Senat durchaus Ernst genommen. Die von der AL nominierte Umweltsenatorin Schreyer sah gestern auf taz-Anfrage zwar „im Moment keinen Anlaß“, die Koalitionsvereinbarung zur Neuköllner Autobahn „wegzupacken„; sie mochte aber „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ auch nicht die Frage beantworten, ob sie ihre Zustimmung zu dem Projekt für die Zukunft ausschließen könne. Noch mehr Zweifel gibt es in der Koalition an der Haltung von SPD -Verkehrssenator Wagner. Er wollte sich gestern zu Nagels Vorstoß nicht äußern. In der SPD wurde jedoch daran erinnert, daß Wagner in der Vergangenheit stets für die Autobahnverlängerung plädiert hatte. Als Neuköllner Abgeordneter befand er sich damit auch auf der Linie des Neuköllner SPD-Kreisverbandes, der die Autobahn - im Gegensatz zur Landes-SPD - befürwortet hatte. Im Bezirk ärgert man sich schon lange über die Schwerlaster aus dem Industriegebiet an der Grenzallee, die sich bisher durch enge Wohnstraßen quälen müssen.

Unterstützung bekam Nagel gestern auch vom Verein Berliner Spediteure. Nur der AL-Abgeordnete Michael Cramer argumentierte gestern entschieden gegen die neuaufgelebten Autobahnpläne - mit einem Zitat des SPD-Politikers Vogel: „Wer Straßen sät, erntet Verkehr.“

Am 8. Dezember will Umweltsenatorin Schreyer erstmals die Änderungen vorstellen, die sie an der Verkehrsplanung des alten FNP vornehmen will. Während die Schreyer-Verwaltung neue Pläne ohne Autobahn aushängen wird, will der Bezirk Neukölln einen Gegenvorschlag mit Autobahn präsentieren. Die Neuköllner Autobahn werde sicher die heftigste Debatte in der kommenden FNP-Diskussion provozieren, vermutete die Umweltsenatorin gestern.

hmt