EHRE AUF TIEFLADER

■ Deserteure: Zur Diffamierung frei

Feiglinge, Drückeberger, Vaterlandsverräter. Deserteure, im grau-grünen O-Ton auch Wehrkraftzersetzer und Fahnenflüchtige, sind auch im fünften Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg schlecht gelitten.

Als Widerstandkämpfer oder NS-Opfer werden sie seltenst anerkannt, Entschädigungszahlungen und Renten für Angehörige mußten über Jahrzehnte mühsam erkämpft werden und wurden bisher nur in wenigen Einzelfällen durchgesetzt. Kollektiver Gedächtnisverlust: mehr als 16.000 Deserteure, Wehrkraftzersetzer und Kriegsdienstverweigerer wurden im Dritten Reich von der Wehrmacht und der Nazigerichtsbarkeit ermordet. In jeder Stadt, wo „den unbekannten Deserteuren“ ein Denkmal gesetzt oder auch nur eine kleine Gedenktafel gewidmet werden soll, röhren nicht nur Erzreaktionäre, alte Kämpfer, Bundeswehr und Justiz auf. Der Widerstand gegen die Ehrung von Deserteuren reicht weit bis ins liberale Lager hinein, auch die Sozialdemokraten tun sich schwer. In der Bundeshauptstadt Bonn mußte ein vom CDU-Oberbürgermeister kurzzeitig „geduldetes“ Deserteursdenkmal auf einem Tieflader präsentiert werden, in Göttingen sabotierten rechte Sozis einen entsprechenden Stadtratsbeschluß. In Berlin verhinderten Richter die Anbringung einer Gedenktafel am jetzigen Kammer- und früheren Reichskriegsgericht. Der Kammerrichter Egbert Weiß ließ gar eine provisorische Tafel durch Bauarbeiter zerstören und blieb ungestraft - jetzt steht die Tafel auf dem Bürgersteig, mit einem Text, den die Richterschaft nach ihrer Facon abändern ließ.

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