Methadon im Knast

■ Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer JuristInnen diskutiert Methadon im Knast

Das kleine Wörtchen „insbesondere“ wird noch Karriere machen im bremischen Streit um die Vergabe von Methadon an Heroin -Süchtige. Eingeengt zwischen den restriktiven Paragraphen des Betäubungsmittelgesetzes (BTM) und einem ausgesprochen zögerlichen Bürgerschaftsbeschluß, ist die Verabreichung von Methadon an die medizinische Indikation gebunden. Wer nicht todkrank ist, Aids hat oder eine Schwangerschaft vorweisen kann, soll auch künftig auf die medizinische Heroin -Ersatzdroge verzichten müssen. Nicht ganz, behaupteten auf einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer JuristInnen (ASJ) am Dienstag die anwesenden Advokaten. Schließlich existiere in den bremischen Ausführungsbestimmungen das Wort „insbesondere“. Und diese Formulierung impliziere, daß noch weitere medizinische Indikationen für Methadon-Vergane denkbar sind.

Eingeladen hatte die ASJ, um sich von einem der profiliertesten Methadon-Ärzte Dänemarks,

dem Gefängnisarzt von Vestre Faengsel, Dr. Stuip, über die Substitutionspraxis im Nachbarland informieren zu lassen. 30 bis 40 Prozent aller Gefangenen in dem alten, geschlossenen Knast in Kopenhagen sind jetzige oder ehemalige Drogenabhängige, berichtete Stuip. Eine Methadon -Verschreibung praktiziere er für drei verschiedene Gefangenen-Gruppen. Da sei zum einen die Entgiftung. Etwa 200 Drogenabhängige pro Jahr können innerhalb von 16 Tagen einen Entzug mit allmählicher Verringerung der Methadon -Dosis machen. Angefangen wird mit einer Einstellungsdosis von 40 mg, die alle zwei Tage um 5 mg reduziert wird.

Dann, so Stuip, gebe es die Überbrückungsbehandlung. Gefangene, die keine längere Strafe als zwölf Monate verbüßen müssen und vorher Methadon erhalten haben, können mit gleicher Dosis im Knast weiterbehandelt werden. Voraussetzung ist die spätere Übernahme durch einen Arzt außerhalb der Gefängnismauern. Und schließlich verab

reiche man ganz individuelle Dosen bei denjenigen Gefangenen, bei denen eine langfristige Methadon-Vergabe als günstige Bedingung für einen Resozialisierungsprozeß erachtet wird. Die entsprechende Zeitspanne umfasse in der Regel ein Jahr.

Die Vergabe von Methadon, darin war sich der dänische Arzt mit dem anwesenden Psychiatrie-Referenten in der Gesundheitsbehörde, Gert Schöfer, einig, könne man nicht als ärztliche Behandlung gelten lassen, es sei schlichte, aber notwendige Hilfe. Darum empfinde er auch die bundesdeutsche Regelung, nur die medizinische Indikation zuzulassen, als „pharisäerhaft“. Für ihn sei es Grund genug, Drogenabhängige aus dem Elend der Heroin-Prostitution oder der Beschaffungskriminalität per Methadon herauszuholen. Die rechtlichen Grundlagen für eine solche soziale Indikation seien in Dänemark gegeben.

Für Bremen scheint dies zunächst einmal Zukunftsmusik zu sein. Auch wenn Behörden und Gefängnisleitung nicht nur

schnellstmöglich mit den Einzelfallentscheidungen beginnen wollen, sondern auch strukturelle und bauliche Maßnahmen zur Auflösung des Massenvollzugs ergriffen werden. Substituierte Gefangene könnten dann in eigenen Kleingruppen zusammengefaßt und dem florierenden Drogenhandel im Knast entzogen werden. Dr. Fritsch, der Gefängnisarzt in Oslebshausen, nahm für sich in Anspruch, was nach den Vorstellungen der Methadon-Befürworter in der SPD und den beteiligten Behörden viele Ärzte in Bremen tun sollten - den Ermessensspielraum im Interesse der Drogenabhängigen ausschöpfen. „Man muß Behandlung sagen und eigentlich was anderes meinen“, charakterisierte Fritsch die Bremer Beschlußlage. Seine Erfahrung im Strafvollzug, daß „man sich nichts mehr glaubt, nicht mehr traut“, die Tatsache, daß zu viele Gefangene auf den stetigen Wechsel von Abstinenz und Drogenkonsum fixiert und deshalb unansprechbar sind, läßt ihn an eine Methadon-Betreuung glauben. „Ich werde dabei“, so

Fritsch, „in erster Linie den Menschen in seiner Qual sehen

-und der ist krank. Krank im Sinne einer Abwesenheit von Gesundheit“.

anh