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Bremer DKP: „Es geht sehr tief“

 ■  Düsseldorfer Parteiführung soll am 2.12. gestürzt werden

Gorbatschows Perestroika, der Unabhängigkeitsdrang der baltischen Staaten, die neuen Mehrheiten in Polen und Ungarn... Das alles hatten die DKP-ErneuererInnen im Bezirk Bremen bereits verkraftet. Aber jetzt sind auch sie von den Ereignissen „überrollt“ und das im wahrsten Sinne des Wortes. Bei ihrer Pressekonferenz gestern sahen die beiden Bremer DKP-ChefInnen gerädert und gealtert aus. Der Bremer Bezirksvorsitzende Dieter Gautier: „Sobald man den Fernseher einschaltet, ist in der DDR schon wieder was passiert. Man muß seine Position von Tag zu Tag ändern.“ Er sei „in der eigenen Identität tief erschüttert und weiter verunsichert“: „Es geht eben sehr tief. Ich hab 'ne Stunde gebraucht, bis ich das realisiert hatte: Die Mauer ist weg.“

Gautiers Stellvertreterin, Heidi Knake-Werner, erzählte von den kleinen Nachrichten, die sie tagtäglich verunsichern. In der „Schweriner Volkszeitung“ beispielsweise hatte sie über die Lage im Partnerbezirk erfahren, daß das Trinkwasser dort so mit Nitrat verseucht ist, daß Säuglinge „mit Tafelwasser sonderversorgt“ werden. Knake-Werner: „All die Sachen, nach denen wir immer gefragt haben... Jetzt steht es ganz einfach in der Zeitung.“

Doch es sind nicht nur die Ereignisse in der DDR, an denen die Bremer ErneuererInnen sich abarbeiten. Es ist auch die eigene Parteiführung, die sie schafft. Dr. Heidi Knake -Werner: „Das ist eine Filiale der albanischen KP. Die sollen nach Rumänien auswandern. Diese Idiotenerklärung von (Parteichef) Mies zur DDR. Das lähmt, macht einen wahnsinnig.“ Ihre Hoffnung auf einen Umsturz auch an der Düsseldorfer DKP-Spitze haben die Bremer ErneuerInnen noch nicht aufgegeben. Sie wollen das „Diskussions-Forum“, das der Parteivorstand am 2. Dezember veranstaltet, in eine „Parteikonferenz“ verwandeln. Dieter Gautier: „Dann wird das Leben entscheiden, wenn hunderte fordern: 'Tretet zurück‘.“ Die ErneuerInnen haben jedoch Schwierigkeiten, die GenossInnen zu diesem letzten innerparteilichen Gefecht zu mobilisieren. Erstens veröffentlicht das Parteiorgan „UZ“ die Erklärungen der ErneuererInnen höchstens als unkenntliche Kurzmeldung. Zweitens lesen die meisten enttäuschten DKPistInnen ihr Organ schon gar nicht mehr, auch nicht mehr zwischen den Zeilen. Und drittens haben etliche die unbelehrbare Parteiführung ganz abgeschrieben, und damit auch die Umsturzversuche.

B.D.

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