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DER GLÄSERNE SARG

■ „Accident - Zwischenfall in Oxford“ von Joseph Losey wiederaufgeführt

1966, als das Wünschen noch geholfen hat, konnten Filme wie Märchen sein: Ein Mann wünscht sich eine Prinzessin, da wird sie ihm ohnmächtig vor sein verwunschenes Schloß gefahren, er braucht sie nur aus dem Auto zu pflücken, im weißen Seidenkleid, mit einer Federboa behängt. Das Schneewittchen liegt hinter einer gesprungenen Windschutzscheibe, was ihr Gesicht so zerbrechlich wie Porzellan und ihre Augen mandelförmig macht. Der blonde Jüngling auf dem Beifahrersitz hat ein paar Blutbahnen neben der Nase, was ihn tot und das Filmdrama möglich macht. Das Filmdrama heißt: Durch eine österreichsiche Prinzessin werden drei Männer aus ihren Lebensbahnen geworfen, einer in den Tod hinein und zwei aus ihrer Ehe heraus.

Dank des Drehbuchautors Harold Pinter kommt die dornröschenverschläferte Filmexposition doch noch in Bewegung und hinter dem Weichzeichner der diskrete Charme einer Bourgeoisie hervor. Die Schöne, so zeigt die ewig am Frauenbein auf- und abwandernde Kamera, ist nur die Leerstelle des Begehrens, die bei dem Oxforder Uniprofessor und seinem Schriftstellerkollegen trotz akademischer Karriere, Fernsehbekanntheit und bürgerlicher Saturiertheit gähnt. Nur der dritte, der junge Student, von den beiden anderen ob seiner Sportlichkeit und Jugend beneidet, muß sterben, weil es bei ihm nicht aus der Verklemmung kommt.

Zwischen gothischen Akardenbögen in holzgetäfelten Zimmern über alten Folianten äußert sich vor allem eine zynische Lüsternheit. Wenn drei Professoren beisammensitzen, teilen sie sich Statistiken zum Sexualverhalten amerikanischer Studenten mit. An der Tatsache, daß es 0,8 Prozent während der Aristoteles-Vorlesung treiben, finden sie nur unglaubwürdig, daß es im Bundesstaat Wiscontin Aristoteles -Vorlesungen gibt. Rugbyspielee sind ihnen willkommene Gelegenheiten, dem Rivalen endlich an die Kehle zu gehen. Und auf der gemeinsamen Sonntagsveranstaltung im Haus des Professors müssen sich die drei Herren betrinken, weil das Objekt der Begierde weiblich verschwiegen und immer schon ein entzogenes ist. Die Frau des Professors geht mit einer Schwangerschaft schwanger und ist die einzige, die trotz Gedoppeltheit bei sich ist.

Als die Prinzessin dann doch irgendwann ein Verhältnis mit dem Schriftsteller hat, teilt sie dem Professor mit, daß sie in Kürze den Studenten heiraten wird. Und weil der Professor seinen Freund gut studiert hat, stirbt der Student in der Verlobungsnacht vor des Professors Haus. Zuletzt jedoch bekommt sie keiner, und auch dem Professor ist sein Wunsch nicht Befehl: Obwohl er schnell die sich bietende Gelegenheit ergreift, der Ohnmächtigen und Unfallgeschwächten unter ihr Seidenkleidchen zu gehen, während seine Frau gerade das dritte Kind bekommt, und der Schriftsteller schon seine Familie verlassen hat, um mit seiner Mutter zu leben, packt sie die Koffer und reist nach Österreich ab. Zurück bleiben zwei, die vermutlich zur Beerdigung des dritten gehen, und spielende Kinder vorm Haus.

Michaela Ott

„Accident“, GB 1966. Mit Dirk Bogarde, Stanley Baker, Jacqueline Sassard, Michael York, Delphine Seyrig. Im Ufo in der Ufa-Fabrik.

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