Sozialdemokratisches Ja zur Rüstungsfusion

Hamburger Senat wird der Übernahme von MBB durch Daimler-Benz zustimmen / Industriellen-Combo der Hansestadt verhandelte bis zuletzt mit den Managern aus Stuttgart / Stadtparlament hat das allerletzte Wort / Nur kleine Erfolge bei den Nachverhandlungen  ■  Aus Hamburg Florian Marten

Für SPD-Altbundeskanzler Helmut Schmidt geht ein alter Traum in Erfüllung, wenn die MBB-Gesellschafterversammlung heute der Eingliederung des Unternehmens in den Daimler-Benz -Konzern zustimmt. Schmidt hatte angesichts des öffentlichen Streits um die Rüstungsfusion im Sommer zur Feder gegriffen und sein Wochenblatt 'Zeit‘ ein flammendes „Plädoyer für die Fusion“ abdrucken lassen.

Darin hatte Schmidt nachhaltig seine eigenen Verdienste betont: „Das Nachdenken der sozialliberaden Koalition über die Zukunft der deutschen Firmen im Bereich der Luft- und Raumfahrtindustrie“ Ende der siebziger Jahre habe zu der Erkenntnis geführt, daß man diese zersplitterte Industrie unter einem leistungsfähigen industriellen Management zusammenfassen müsse. Die von Schmidt geführte Bundesregierung bat Alfred Herrhausen, seinerzeit Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, Fusionsvorschläge zu erarbeiten. Das Ende der sozialliberalen Koalition habe diese Planung unterbrochen. Jetzt, wo Herrhausen „Sprecher der Deutschen Bank geworden“ sei, diese wiederum „aber schon des längeren Hauptaktionär der Daimler-Benz AG war“, müsse „eine Fusion von MBB und Dornier mit Daimler-Benz plausibel erscheinen“.

Für Hamburgs SPD-Bürgermeister Henning Voscherau jedoch, der Helmut Schmidt einmal als einen seiner geistigen Ziehväter in der SPD bezeichnete, kam die Zustimmung des Stadtstaates Hamburg, der mit seiner Sperrminorität bis zu einer endgültigen Entscheidung durch die Hamburger Bürgerschaft die Fusion noch immer verhindern könnte, mit einer gänzlich anderen Begründung zustande. Zwar hatte Voscherau vor gut einem Jahr die Fusion als äußerst bedenkliche Machtzusammenballung innerhalb eines militärisch -industriellen Komplexes kritisiert. Aber: „Wir haben als Landespolitiker und nicht als Ordnungspolitiker mit Daimler -Benz verhandelt.“ Ein Minderheitsgesellschafter könne nicht die ordnungspolitischen Zielvorgaben der Bundesregierung torpedieren. Man habe deshalb - im Schulterschluß mit den übrigen norddeutschen Ministerpräsidenten - „allein auf der Ebene berechtigter norddeutscher Struktur- und Beschäftigungsinteressen verhandelt“.

Dabei sei allen Nordländerchefs klar gewesen, daß die Fusion „das bedeutsamste strukturpolitische Vorhaben der letzten Jahre für Norddeutschland insgesamt“ darstelle. Voscherau zufrieden: „Wir haben einen sehr guten Job gemacht.“ Er sieht „ungeheure ökonomische Chancen für den Norden“.

Die Zufriedenheit gilt zwei Hoffnungen: Mit der Gründung der Deutschen Airbus GmbH in Hamburg, die die „Systemführerschaft“ für den zivilen Großflugzeugbau (ab 100 Sitzplätze) und das deutsch-chinesische Regionalflugzeug -Projekt MPC 75 (75 Sitzplätze) erhält, werde die „zukunftssichere Luftfahrtindustrie“ fest im Norden verankert; mit dem Werften- und Elektronik-Konsortium, das die Daimlersche Telefunken Marine-Elektronik übernehmen will, soll der Norden für den Weltkriegsschiffsmarkt bestens gerüstet sein.

Als Daimler-Benz sich unwillig zeigte, nach der Genehmigung des Fusions-Deals durch Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann noch einmal ernsthaft über die Aufwertung des Standortes Hamburg zu verhandeln, schickte der Senat eine örtliche Industriellen-Combo in die Schlußrunde. Für die Hansestadt im Ring: der Wirtschaftsprüfer Otto Gellert, der kürzlich für die Stadt bereits den Milliarden-Deal um den Ankauf von 41.600 Wohnungen der Neuen Heimat fingerte. Er wurde dabei von zwei hanseatischen Industrie-Adligen unterstützt: von Rudolf Schlenker, dem Ex-Chef des Zigarettenriesen Reemtsma, und von Eberhard Reuther, dem Chef der Firma Körber AG, dem Weltmarktmonopolisten für Zigarettenmaschinen.

Ihr Verhandlungsergebnis blieb allerdings weit hinter den ursprünglichen Verhandlungszielen zurück: Die Deutsche Airbus (DA) wird eine GmbH und nicht eine Aktiengesellschaft, wie Hamburg wollte. Durch einen Aufsichtsratsposten bei der zukünftigen DA-Mutter Deutsche Aerospace AG (Dasa), eine Beteiligung Hamburgs von sieben Prozent an der Dasa und mehrere Zusatzvereinbarungen hofft Hamburg, die Unabhängigkeit der DA von Stuttgart weitmöglichst gesichert zu haben. Die DA erhält - mit Ausnahme des Projekts MPC 75 - nicht die Zuständigkeit für den zukunftsträchtigen Markt mittelgroßer Flugzeuge zwischen 70 und 100 Sitzplätzen. In diesem Markt ist auch die Daimler-Mehrheitstochter Dornier tätig. Die in Hamburg und Wedel ansässige Telefunken Systemtechnik mit 4.000 Arbeitsplätzen in der Luft-, Marine-, Raumfahrt und Solarelektronik wird nicht komplett an einen Daimler -Konkurrenten verkauft, sondern zerschlagen. Mehr als die Erfüllung der Haussmann-Auflage, nämlich die Abteilung A 41 (Marinetechnik) zu verkaufen, wollte Daimler nicht zugestehen. Die Beschäftigten der bei Daimler verbleibenden Teile befürchten, daß die Produktion über kurz oder lang nach Süddeutschland verlagert oder - bestensfalls - zum reinen Zulieferbetrieb abgespeckt zu werden.

Besonders gilt das für die Solarzellenfertigung im Werk Wedel; gerade investiert MBB zusammen mit dem französischen Energiekonzern Total im süddeutschen Puttbrunn in eine eigene Fertigung. Befürchtungen haben aber auch die HochenergietechnikerInnen, weil der Daimler-Konzern in Ulm ähnliche Einrichtungen unterhält, und die Raumfahrt-Experten fürchten, über kurz oder lang denn doch bei Dornier am Bodensee zu landen. Daran kann auch nicht sonderlich viel ändern, daß sich Daimler dem Vernehmen nach derzeit heftig bemüht, vom Image des „süddeutschen“ Konzerns loszukommen.

„Mitgehangen

mitgefangen“

Acht Tage nach der Öffnung der DDR-Mauer setzen die norddeutschen SPD-Länderchefs Voscherau, Wedemeier und Engholm und ihr christdemokratischer Amtskollege Albrecht die Zukunft ihrer Länder auf eine von München und Stuttgart gesteuerte Großflugzeugtechnologie und ein norddeutsches Rüstungskonsortium, das vom Bundeskartellamt der Marktbeherrschung verdächtigt wird. Voscherau kühl: „Mitgehangen - mitgefangen.“ Sollte das Kartellamt tatsächlich Nein sagen, erwarte er eine Ministererlaubnis durch Helmut Haussmann.