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Zweiter Wahlgang in Brasilien nötig

Kopf-an-Kopf-Rennen um den zweiten Platz in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen / Im zweiten Wahlgang wird vermutlich der linke Lula gegen den rechten Collor antreten  ■  Aus Sao Paulo Thomas Schmid

Bei den ersten brasilianischen Präsidentschaftswahlen seit 29 Jahren hat am Mittwoch der Kandidat der Rechten, Fernando Collor de Mello, die Stimmenmehrheit erhalten. Doch da er die absolute Mehrheit weit verfehlt hat, wird die Entscheidung in einem zweiten Wahlgang fallen, zu dem am 17.Dezember die beiden Bestplazierten antreten werden. Neben Collor wird vermutlich der linkssozialistische ehemalige Metallarbeiter Luis Inacio Lula da Silva in die Endrunde kommen.

Der Kandidat der „Volksfront“ aus Sozialisten und Kommunisten, führendes Mitglied der „Arbeiterpartei“ (PT), erhielt nach Auszählung von 25 Prozent der Wahlurnen 3,4 Millionen Stimmen, er lag damit bei Redaktionsschluß zwar deutlich hinter Collor (5,1 Millionen), aber vor dem linken Populisten Leonel Brizola (3,1 Millionen), der knapp vom Sozialdemokraten Mario Covas (3,0 Millionen) gefolgt wird.

Doch da das Viertel ausgezählter Stimmen noch nicht als repräsentativ gelten kann, wird ein aussagekräftiges provisorisches Ergebnis erst für die Nacht zum Freitag erwartet. In Sao Paulo, mit 15 Millionen Einwohnern größte Stadt Südamerikas, hat der Sozialdemokrat Covas am meisten Stimmen erhalten, in Rio de Janeiro führt Brizola, und in den Millionenstädten des armen Nordostens, Recife und Salvador, liegt Lula deutlich vorne. Collor verdankt seinen Wahlsieg vor allem den Wählern in den kleineren und mittelgroßen Städten der Provinz und auf dem Land.

Die politische Landschaft Brasiliens wird sich im nächsten Monat polarisieren, mit einem Kandidaten Lula erst recht. Er kann auf den Großteil der Brizola-Stimmen rechnen - und umgekehrt. Auch wenn Collor im ersten Wahlgang deutlich gewonnen hat, ist sein Sieg in der zweiten Runde alles andere als gewiß. Ob ihm der Einbruch in die großstädtischen Mittelschichten gelingt, ist höchst fraglich. Der Startschuß zum Run auf die Stimmen der Mitte ist jedenfalls bereits gefallen.

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