Irland im (Italien-)Rausch

■ Erste WM-Teilnahme in der irischen Geschichte

Für die irischen Fußballfans war die erste WM-Qualifikation ihrer Mannschaft im 13. Anlauf nur noch eine Formsache, für Spannung sorgte lediglich das Wetter. Seit Montag früh kampierten über tausend Schlachtenbummler auf dem Dubliner Flughafen, weil sämtliche Flüge wegen dichten Nebels gestrichen waren. Die ganze Nation fieberte mit ihnen. Das irische Fernsehen brachte in jeder Nachrichtensendung einen Lagebericht vom Flug hafen.

Dienstag nacht wurde den Fans endgültig abgesagt, was diese fast ihren guten Ruf vergessen ließ. Jack Charlton, der englische Trainer des irischen Teams, schickte aus Malta ein Telegramm zum Flughafen: „Bleibt zu Hause, spart das Geld und kommt dafür im nächsten Jahr zur Weltmeisterschaft nach Italien.“ Doch die Fans ließen nicht locker, und am Mittwoch früh klappte es schließlich. Die letzten trafen wenige Minuten vor dem Anpfiff im Stadion von La Valetta ein.

Das Stadion war mit 25.000 Zuschauern gut besetzt - ein Fünftel davon aus Irland. Die Einheimischen waren hauptsächlich wegen der legendären irischen Fans gekommen und bewarfen sie fortwährend mit Mars-Riegeln. In Irland, wo das Spiel live übertragen wurde, waren die Straßen, wo an normalen Tagen ein unbarmherziges Verkehrschaos tobt, wie leergefegt. Aber es war ja kein normaler Tag. Den Iren drohte bei ihrem 2:0-Sieg keine Gefahr, und als in der Halbzeitpause das Zwischenergebnis aus Spanien (3:0 gemeldet wurde, nahm das Gelage in Irland und Malta seinen Lauf.

Beim Schlußpfiff waren die Iren im Stadion bereits unter sich - die MalteserInnen waren längst nach Hause gegangen. Sie verpaßten eine Party, die noch Stunden nach dem Spiel in vollem Gange war. Für das Woodstock-Feeling sorgte die bekannte irische Folkgruppe „Barleycorn“, die noch nie vor einem so enthusiastischen Publikum gespielt hatte. Selbst der grantige Jack Charlton ließ sich vor der Kamera zu einem Jubelausbruch hinreißen: Er begoß den wie ein Kleinkind herumhüpfenden Fernsehreporter Jimmy McGhee mit einer Flasche Sekt. Im Dubliner Studio hatte das Freudenfest ebenfalls schon zur Halbzeitpause begonnen. Der Moderator und seine Studiogäste, drei erfolglose Vorgänger Charltons, überließen die Zuschauer ihrem Schicksal und beschäftigten sich für den Rest der Sendung mit dem Entkorken von alkoholischen Getränken.

Die irischen Banken und Bausparkassen bieten jetzt Sondersparkonten für Italienreisen im nächsten Juni an. Es wurden jedoch Gerüchte laut, daß den irischen Fußballfans und das sind inzwischen alle 3,5 Millionen Einwohner - nur 4.000 Tickets zur Verfügung gestellt werden sollen. Der Schwarzmarkt lacht.

Ralf Sotscheck, Dublin