Schwere Luftangriffe auf San Salvador

■ Weitere erbitterte Straßenkämpfe / Bisher über 700 Todesopfer / Bush lobt Cristiani für Rücksichtnahme

San Salvador (ap/afp/taz) - Die erbitterten Kämpfe zwischen den Truppen der rechtsextremen Regierung El Salvadors und der Befreiungsbewegung FMLN haben in den Morgenstunden des Donnerstag einen neuen Höhepunkt erreicht: In San Salvador gab es die schwersten Gefechte seit Beginn der FMLN -Offensive fünf Tage zuvor. Im Laufe des Tages startete die Armee heftige Luftangriffe auf die umkämpften Stadtviertel.

Nach ihrem Rückzug aus mehreren Vororten San Salvadors hatten Truppen der Guerilla am Mittwoch eine neue Offensive eingeleitet. Sie besetzten mehrere Häuserblocks in dem Vorort Merliot und blockierten die Zufahrtstraßen zur Hauptstadt. Nach zwei Stunden wurden sie jedoch wieder von Regierungstruppen vertrieben. In das schwer umkämpfte Armenviertel Zacamil am Nordrand der Stadt rollten in der Nacht auf Donnerstag Armeesoldaten in Panzern ein. Die Guerilleros hatten dort in mehreren sechsgeschossigen Häusern Stellung bezogen.

Am Mittwoch hatten sich mehrere hundert Kämpfer, darunter zwei hohe FMLN-Comandantes, in dem Vorort Mejicanos verschanzt. Im Gegensatz zu anderen umkämpften Stadtvierteln blieben in Mejicanos fast alle BewohnerInnen in ihren Wohnungen; viele leisteten den FMLN-KämpferInnen Unterstützung.

Auch in mehreren Provinzstädten dauerten die Kämpfe an. Über die Lage dort konnte wegen der von der Regierung verhängten Nachrichtensperre kein genaues Bild gewonnen werden. Nach inoffizieller Schätzung lag die Zahl der Opfer bis Mittwoch weit über 2.000.

US-Präsident Bush hat Cristiani indessen telefonisch seiner Unterstützung versichert. Nach Angaben der 'New York Times‘ haben die USA ihre Waffenlieferungen für die Regierung in San Salvador verstärkt. Während Bush die salvadorianischen Streikräfte wegen ihrer „Bemühungen, Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden“, lobte, flog die Luftwaffe neue Bombenangriffe auf die besetzten Vororte der Hauptstadt und der Stadt San Miguel im Osten des Landes.

Dort wird die Lage der Einwohner immer verzweifelter. Zu Tausenden flüchten sie aus dem Kampfgebiet. Die linksoppositionelle „Sozialchristliche Volksbewegung“ (MPSC) forderte den sofortigen Stopp der Luftangriffe auf zivile Wohngebiete. Das Internationale Rote Kreuz hatte ebenso wie Erzbischof Rivera y Damas die Regierung um eine Feuerpause gebeten, um die Verwundeten zu evakuieren. Die Regierung, lehnte ab und kündigte am Mittwoch abend siegesgewiß einen Zusammenbruch der Guerilla-Offensive „innerhalb der nächsten Stunden“ an.

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Der Oberbefehlshaber der FMLN Joaquin Villalobos sagte dagegen über Radio Venceremos, die Guerilla werde die Offensive bis zum „Zusammenbruch“ der Armee fortführen. Guillermo Ungo, Präsident der sozialdemokratischen Partei

MNR, die bislang mit der Guerilla verbündet war, soll die Offensive der Befreiungsfront kritisiert haben.

Gestern in den frühen Morgenstunden wurden der Rektor der Katholischen Universität von San Salvador, Ignacio Ellacuria, und sechs weitere bisher namentlich nicht bekannte Jesuiten in Ellacurias Wohnung ermordet. Sie wurden mit Spuren schwerer Folterungen aufgefunden. Ellacuria stand seit langem auf der Liste der Todesschwadronen, obwohl er nicht als Sympathisant der Guerilla galt, sondern einen „dritten Weg“ für El Salvador befürwortete. Unbequem war er den Rechtsextremen jedoch, weil er immer wieder Menschenrechtsverletzungen anprangerte. Am 25. Oktober referierte er vor dem Bundestagsausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, wo zum Thema Entwicklungshilfe der Bonner Koalition für die Cristiani-Regierung debattiert wurde.

go