„Heute Beuys, morgen Vasarely“

■ Graphothek eröffnet neu in der Curie-Schule in Horn-Lehe / Kunst zum Wegtragen und Wiederbringen

„gra'phein“, griechisch, „ritzen, einritzen, schreiben„; „the'ke'“, griechisch: „Abstellplatz, Kasten, Kiste“. (Duden)

Ein (Schatz)kistlein voller Eingeritztem, das ist in Bremen die Graphothek, eine Tochter der Stadtbibliothek. Seit 1975 arbeitet diese Institution an dem Postachtundsechziger -Anspruch, die Kunst zu demokratisieren, d.h. ins Volk zu bringen, und das mit

gutem Erfolg.

War die Graphothek neun Jahre lang zentral in der „Weserburg“ untergebracht, mußte sie im Zuge der Umbauarbeiten umziehen und verbirgt sich seit zwei Wochen Zwischenlösung - in Horn-Lehe in der Schule Curie-Straße im zweiten Stock. Dort lagern und hängen jetzt die etwa 2.700 Originale, Druckgraphiken, Aquarelle und auch kleine Plastiken; d.h. wirklich anwesend sind nur etwa 1.000 Werke, der Rest ist ausgeliehen. Über Akzeptanz kann die Graphothek nicht klagen, seit ihrer Gründung gab es ca. 6.000 Ausleihen.

Bundesweit gibt es 72 Grapho

theken, von den Ausleihzahlen liegt Bremen an dritter Stelle. Wer seine Wände mit Gegenwartskunst (ab 1960), Werken von Horst Antes, Victor Vasarely, Timm Ulrichs oder Roy Lichtenstein schmücken will, wer sich von den Plakaten Klaus Staeck's provozieren lassen möchte, wer sich mit Bremer KünstlerInnen konfrontieren will wie Jürg Andermatt, Pit Morell, Janet Fruchtmann oder Angela Kolter, der darf sich in den umgebauten Klassenzimmern umsehen. Biographischen und kunstwissenschaftliches Begleitmaterial kann eingesehen werden, Ratschläge erteilt der Graphothek -Leiter Gerd-Peter Patz gern und ausführlich.

Herr Patz ist Diplombibliothekar mit kunstpädagogischen Ambitionen; er betont den Unterschied zu einer Galerie, da die Bilder der Graphothek, auch wenn man sie während der Viermonats-Ausleihe lieb gewonnen hat, um nichts käuflich zu erwer

ben sind. Die Anschrift der Künstler gibt er aber gern weiter. Zu seinen Obliegenheiten gehört es auch, daß er sich mit einem Ankaufetat von etwa 30.000 DM um den Ausbau des Bestandes bemüht. Er soll dabei verstärkt Produkte der Region im Auge haben. Das letzte Wort hat eine Jury, die vom Landesbeirat für „Kunst im öffentlichen Raum und Künstlerförderung“ zusammengesetzt

wird.

Renner unter den mit Bibliotheksausweis ausleihbaren Werken waren und sind „Landschaften“ und „Naturdarstellungen„; „Politisches“ und Provozierendes wird eher en bloc in sog. thematischen Bildreihen an Schulen und Kultur-oder Jugendzentren gegeben („Arbeit und Leben“, „Drittes Reich“, „Krieg und Frieden“). Auch Krankenhäuser

bedienen sich, weniger bei der Reihe „Menschenrechte“ (was vielleicht gar nicht verkehrt wäre), eher bei der „Tierwelt“ oder der „Pflanzenwelt“.

Das „Volk“ in der Graphothek hat überwiegend wenigstens Abitur und ist jünger als 40. Es gibt zwar die Vorzeige-Oma, die einen quietschbunten Rupprecht Geiger nach Hause trägt. Doch Alten ist der Gedanke fremd, Bilder in der Wohnung zu wechseln; und den Platz für mehrere Quadratmeter Gegenwartskunst muß man ja erst einmal haben in einer engen Kleinfamilienwohnung.

Burkhard Straßmann

geöffnet: Mo, Di, Do, Fr 14-18 Uhr, Telefon: 496352