S I C H T V E R M E R K

■ Lila Pause im kalten Krieg

Die Gebrüder Albrecht, Erfinder der Ladeneinrichtung aus Wellpappe und bekannt unter dem Discount-Kürzel „Aldi“, plakatieren neuerdings auch in der U-Bahn. Unter dem Motto Jeder Preis ein Einkaufsgrund legen die großen Gewinnler der Reisewelle den devisenschwachen Ostlern den Erwerb von Printen, Spritz- und Lebkuchen sowie „Fäßchensortimenten“ und „Weihnachtsmischbeuteln“ nahe: Vergleichen Sie Preis, Qualität und Gewicht.

Der Kreuzberger Obst- und Gemüsehändler Raimund Klaes ist gar nicht so erfreut über die Wartekollektive vor seinem Marktständchen am Schlesischen Tor: „Die vergraulen mir die Stammkundschaft - die Türken trauen sich schon gar nicht mehr her, und das ganze Gemüse hab‘ ich auch wegschmeißen können, weil die nur Obst wollen.“ Außerdem ist Klaes sauer, weil er jetzt von seinem Platz vorm U-Bahnhof verschwinden soll. Der gesamtdeutsche Fahrgastandrang ist zu groß.

„Trotz unseres 78. Landesparteitags am Sonnabend in der Kongreßhalle, an dem ein Großteil der Funktionsträger unserer Partei teilnehmen wird, ist die CDU in allen Bezirken auf den Straßen präsent“, teilt CDU-Landowsky in dem von rechts üblichen Kolonial-Tonfall den DDR-Besuchern mit. Sie sollen von den Christdemokraten mit wichtigen Informationen für eine Orientierung in Berlin (West) versorgt werden. Die JUNGE UNION CITY will gar am Zoo alte Lesemappen unters Ostvolk werfen.

Kreuzberg goes Grunewald. In der zukünftigen Stadtmitte steigen die Grundstücks- und Immobilienpreise sprunghaft. Wie 'dpa‘ meldet, hat eine „Arbeitsgruppe Stadterneuerung“ nachgewiesen, daß die Teuerung bereits mit Gorbis Amtsantritt eingesetzt hat. Auch der Verein „SO36“ bestätigt den Trend. Ein Haus in der Schlesischen Straße sei innerhalb von drei Tagen seit Öffnung der Mauer um 300.000 Mark im Wert gestiegen.

Begrüßungsgeldbesitzerwechsel. Immer mehr Besucher aus der DDR und Ost-Berlin fallen im Westteil der Stadt Langfingern zum Opfer. Allein am vergangenen Wochenende wurden in West -Berlin fast täglich 50 Taschendiebstähle gemeldet, weiß die Polizei zu berichten. Zwei Drittel der Bestohlenen seien DDR -Bürger. Im Durchschnitt der ersten zehn Monate dieses Jahres waren täglich zwölf Taschendiebstähle angezeigt worden.

Durchs Teilungssymbol nur per Pedes und Fahrrad. Die Abgeordnetenhaus-Fraktionen von SPD und AL haben sich dafür ausgesprochen, den möglichen neuen Übergang am Brandenburger Tor für Fußgänger und Radfahrer zu reservieren. Der Tiergarten müsse als eine der „grünen Lungen unserer Stadt“ vor den Auswirkungen des ansonsten zu erwartenden starken Autoverkehrs bewahrt werden, meinte die SPD. Dieser Forderung schloß sich der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club an. Das Tor sei mit seinen Maßen ohnehin nicht dem heutigen Verkehrsaufkommen gewachsen.

Frischblutspender werden wollen immer mehr DDR-Bürger, die sich beim Roten Kreuz nach der Möglichkeit Lebenssaft gegen Devisen cash erkundigen. Frischblutspender (einmal Zapfen 40 Mark) können nach Auskunft des Roten Kreuzes - im Gegensatz zur Gratis-Spontanspende - aber nur Bürger werden, die auf Abruf regelmäßig Blut lassen können. Am besten also Ostberliner. Außerdem muß es natürlich gesundes Blut sein.

taz