Beziehungen der besonderen Art

Noch hat die EG mit der DDR kein Kooperationsabkommen abgeschlossen /Die besondere innerdeutsche Handelssituation macht eine Regelung unabdingbar /Schlupfloch von DDR in EG jedoch kaum genutzt  ■  Von Beatrix Bursig

Berlin (taz) - Ein Treffen des EG-Ministerrates jagte in letzter Zeit das andere. Und fast immer stand ein Thema ganz groß auf der Tagesordnung: die rasante Entwicklung in Osteuropa. Die Ereignisse in der DDR und die Öffnung der Berliner Mauer sorgten seit einer Woche noch für zusätzliche Dynamik.

Die Beziehungen zwischen der DDR und der EG sind seit jeher von besonderer Art. Die DDR ist für das EG-Land Bundesrepublik wegen der speziellen deutsch-deutschen Verhältnisse kein Ausland, der Handel mit der DDR wird demnach in bundesdeutschen Statistiken auch nicht als Außenhandel geführt. Dieser Sonderstatus ist auch im Zusatzprotokoll des EWG-Vertrages über den innerdeutschen Handel festgeschrieben: DDR-Produkte werden zu besonderen Konditionen in die Gemeinschaft eingeführt, der innerdeutsche Handel ist durch den EWG-Vertrag nicht berührt. Die Bundesregierung hat bislang daraus den Standpunkt abgeleitet, die im innerdeutschen Handel bezogenen Waren seien „freiverkehrsfähig“. Bettfedern, Schreibmaschinen oder optische Geräte made in GDR (DDR) sollten unverzollt in der EG weitergehandelt werden können.

Nicht alle EG-Partner waren damit einverstanden. Dänemark, Frankreich und die Benelux-Staaten haben lange keine Importlizenzen für im innerdeutschen Handel bezogene Waren erteilt - offenbar zum Schutz ihrer strukturschwachen Industriezweige. Das niederländische Wirtschaftsministerium hatte sogar vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die Einfuhr von Kugelschreibern made in GDR geklagt. Die Richter sahen in der Einfuhr der Kulis keine Gefahr für die niederländische Volkswirtschaft. Solange die nicht gegeben sei, so der EuGH in seinem Urteil vom 21. September 1989, hätten die elf EG-Partner nicht das Recht, Waren aus der Bundesrepublik mit Ursprung DDR abzulehnen.

Eine Gruppe von Wirtschaftsjournalisten, der „Club de Bruxelles“, hat jüngst eine Studie mit dem Titel Die DDR: das 13. Mitgliedsland der EG erstellt. Sie kommen darin zu dem Ergebnis, daß etwa 75 Prozent des Handels aller EG -Staaten mit der DDR auf die Bundesrepublik entfallen. Immer wieder wird die „heimliche Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft“ kritisiert. Es wird vor allem befürchtet, die DDR könne den innerdeutschen Handel als „Drehscheibe“ mißbrauchen und auch noch Waren aus anderen RGW-Staaten über den innerdeutschen Handel unverzollt in die EG schleusen.

Im Zusatzprotokoll zum EWG-Vertrag ist der innerdeutsche Handel daher auf Produkte deutschen Ursprunges beschränkt. Der Reexport von DDR-Waren über die Bundesrepublik in andere EG-Länder macht ohnedies nur einen verschwindend geringen Teil aus. Nur 0,7 Prozent aller Lieferungen über die deutsch -deutsche Grenze finden ihren Weg in die Partnerstaaten der Bundesrepublik.

Gemessen am Außenhandel der Bundesrepublik nimmt die DDR mit Exporten in Höhe von 7,2 Milliarden Mark für das Jahr 1988 zwischen der UdSSR und Norwegen den 14. Platz ein. Umgekehrt sieht es anders aus. Für die DDR ist die Bundesrepublik nach der UdSSR und der CSSR der drittwichtigste Handelspartner. Sie liefert vor allem Vorprodukte und Grundstoffe in die Bundesrepublik - allesamt Bereiche mit wenig Aussichten auf hohe Zuwachsraten.

Bislang hat die EG mit der DDR noch kein Kooperationsabkommen abgeschlossen. Lange Zeit war die DDR nicht interessiert - aus Angst um ihren Sonderstatus im Rahmen des innerdeutschen Handels. In letzter Zeit zögerte dann die EG ihrerseits wegen Ost-Berlins zustimmender Haltung zu dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz und der restriktiven Ausreisepolitik der SED-Führung. Erst nach dem Rücktritt Erich Honeckers und mit dem Erstarken der Reformkräfte in der DDR änderte sich die hinhaltende Taktik der EG. Kommissar Martin Bangemann stattete Ost-Berlin inzwischen einen Besuch ab zu Vorgesprächen für ein Kooperationsabkommen mit der DDR.

Über die Art der Zusammenarbeit kann derzeit lediglich spekuliert werden, nicht zuletzt aufgrund der Regierungsneubildung in Ost-Berlin. Immerhin: Konnte man im 'Neuen Deutschland‘ noch vor einem Jahr lesen, unter bundesdeutscher Führung solle „wenn nicht die Welt, aber immerhin doch Europa genesen ... erst mit dem Binnenmarkt und dann, wenn möglich, der 'Rest'“, so werden in jüngerer Zeit andere Töne angeschlagen. Egon Krenz erklärte in seiner Rede vor der 10. Tagung des ZK der SED im November: „Die Wirtschaft der DDR kann nur bestehen, wenn sie sich stärker in die internationale Arbeitsteilung einbringt, insbesondere im RGW und im EG-Markt.“

Am Montag haben sich die Wirtschafts- und Finanzminister der zwölf EG-Staaten in Brüssel getroffen und unter anderem über Hilfen der EG für die Reformstaaten in Osteuropa gesprochen. Dabei stand auch auf der Tagesordnung, ob nicht ähnliche Unterstützungsmaßnahmen, wie sie die Gemeinschaft für Ungarn und Polen beschlossen hat, für die DDR sinnvoll wären. Ein Hinderungsgrund: Die DDR ist anders als diese beiden Länder nicht Mitglied im Internationalen Währungsfonds, der mit seinem kreditpolitischen Instrumentarium den Reformen zu mehr Marktwirtschaft mehr Druck verleihen könnte. Andererseits gilt die DDR aufgrund ihrer vergleichsweise besseren Wirtschaftssituation als solventerer Schuldner. Auf dem Sondergipfel am Wochenende in Paris dürften jedoch keine konkreten Hilfsmaßnahmen für die DDR beschlossen werden. Man sei derzeit noch bei einer ersten Bestandsaufnahme über die Lage in der DDR, heißt es.