Gedenkstätte in Salzgitter

■ Bundesregierung verhöhnt ehemalige Zwangsarbeiter der Hermann-Göring-Werke

Bonn (taz) - Eigentlich ist niemand dagegen, mit einer Dokumentations- und Gedenkstätte an die Leiden der KZ -Häftlinge und Zwangsarbeiter in Salzgitter zu erinnern. Nur: Wo darf das Gedenken stattfinden? Am Ort des Geschehens, auf dem Gelände der Salzgitter AG, früher Hermann-Göring-Werke? Immerhin stehen da noch die Behausungen des ehemaligen KZs Salzgitter-Drütte - unter Denkmalschutz nun, aber nicht zu besichtigen für Firmenfremde. Oder lieber außerhalb, wie es der Salzgitter -Vorstand aus naheliegenden Gründen möchte, an unverfänglichem Ort?

Der Bundestag befaßte sich am Donnerstag abend auf Antrag der Grünen noch einmal mit dem Thema. Der erste Vorstoß der Grünen für eine Gedenkstätte im KZ Drütte lief bereits in der vergangenen Legislaturperiode und verfiel an deren Ende ohne Entscheidung. Wolfgang Lüder (FDP) bezeichnete dies immerhin als „makaberes Spiel“, und auch Roswietha Wisnieswiski (CDU) fand Worte, die man aus ihrer Partei nicht häufig hört: Auf der Salzgitter AG laste das „schreckliche Erbe der Hermann-Göring-Werke“. Mehr als 100.000 Menschen mußten zwischen 1939 und 1945 für die Rüstungsproduktion in Salzgitter schuften: Rassisch Verfolgte, Juden und Sinti, politische Häftlinge, Strafgefangene und Zwangsarbeiter. Nun müssen sich die Bundestagsausschüsse mit dem strittigen Gedenken befassen. Alle Fraktionen möchten, daß es nun, nach 44 Jahren, schnell geht.

Nur die Bundesregierung, die Salzgitter gerade an die Preussag verkaufen will, hält sich heraus. „Nach Aktienrecht“, so ließ sie wissen, entscheide der Firmen -Vorstand „in eigener Verantwortung“. Deshalb habe man auch „davon abgesehen“, ein anderes Thema zum Gegenstand der Verhandlungen zu machen: Die ausstehende Entschädigung für die ehemaligen Zwangsarbeiter der Hermann-Göring-Werke. So werden die überlebenden Zwangsarbeiter auch noch verhöhnt: Als ob die Regierung nicht ohnehin diese Zahlungen verweigert.

Charlotte Wiedemann