Ost-Berlin bietet Jobs für arbeitslose Ärzte

■ In Berlin Gespräche über eine Zusammenarbeit auf dem innerstädtischen Arbeitsmarkt / Ost-Berliner Magistrat: DDR-Krankenhäuser als Weiterbildungsstätten anerkennen / Wohlfahrtsverbände verhandeln mit Bundesarbeitsministerium über neue Richtlinien

Berlin (taz) - Die Berliner Ärtzekammer möchte erreichen, daß arbeitslose Ärzte aus dem Bundesgebiet und West-Berlin in Krankenhäusern der DDR arbeiten können. Zu diesem Zweck führt der Präsident der Berliner Ärztekammer, Ellis Huber, seit Mitte der Woche Gespräche mit dem Magistrat für Gesundheit und Soziales in Ost-Berlin. Die Gespräche sind hochrangig angesiedelt, von Westberliner Seite sind die Senatskanzlei sowie die Sozialsenatorin daran beteiligt.

Die Gespräche wurden auf dieser Ebene aufgenommen, nachdem der Ostberliner Magistrat an die Berliner Sozialsenatorin mit der Bitte herangetreten war, die Krankenhäuser der DDR doch als „Weiterbildungsstätten“ für Ärzte aus dem Bundesgebiet und West-Berlin anzuerkennen. Die DDR versucht damit offenbar, die katastrophale Situation in ihrer Gesundheitsversorgung einigermaßen aufzufangen. Diese akute Notsituation ist in den letzten Wochen vor allem durch die Ausreisewelle von Ärzten aus der DDR entstanden.

Seit die Gespräche in Berlin bekannt geworden sind, haben sich bei der Berliner Ärztekammer bereits um die 200 Interessenten gemeldet. Allein in West-Berlin gibt es rund 1.000 arbeitslose Ärzte, die Bundesärztekammer schätzt die Zahl im gesamten Bundesgebiet auf rund 15 000. Würden Krankenhäuser der DDR von der Berliner Ärztekammer als Weiterbildungsstätten anerkannt, könnte auch die Facharztausbildung in Krankenhäusern der DDR absolviert werden. Angebote und Bedarf bestünden offenbar in nahezu allen Ausbildungsgängen, insbesondere jedoch in den „operativen Bereichen“ oder in der Neurologie. Selbstverständlich müsse die Ausbildung nach „vergleichbaren Richtlinien“ erfolgen.

Wesentlich schwieriger ist die Frage der Entlohnung und die damit verbundene Gefahr, daß in der DDR ein Zwei-Klassen -System innerhalb der Ärzteschaft entstehen könnte. Nach Vorstellungen der Ärztekammer müssten die West-Ärtze in jedem Fall nach den in der DDR geltenden Tarifen bezahlt werden. (Ein Assistenzarzt verdient um die 1.400 Mark, ein Oberarzt bis zu 2.500 Mark). Über eine „Ausgleichskasse“ sollten dann einzelne Härten ausgeglichen werden. (Etwa Kosten für eine Zweitwohnnung oder Sozialversicherungszuschüsse.) Für Ärzte, die in der DDR arbeiten und weiterhin im Westen leben, könnte etwa die Bundesregierung eine Garantie für die Konvertierbarkeit dieser Einkommen im Verhältnis 1:1 übernehmen, sagte der Sprecher der Ärztekammer, Roland Bersdorf. Genutzt werden sollen vor allem die Lohnkostenzuschüsse, die an Arbeitgeber aus dem „Bundesprogramm für Langzeitarbeitslose“ bezahlt werden, wenn sie Menschen beschäftigen, die länger als ein Jahr arbeitslos gemeldet waren. Als „Arbeitsträger“ kämen in diesem Fall das Diakonische Werk oder die Caritas in Frage, sie könnten Ärtze anstellen, die dann in der DDR einer Beschäftigung nachgehen. Allerdings müßten dafür die Förderungsrichtlinien verändert werden, die Wohlfahrtsverbände verhandeln bereits mit dem Arbeitsministerium in Bonn.

Ursel Sieber