Festival des Films der sowjet. Unionsrepubliken im Kommunalkino

■ „Die Macht von Solovki“

Ich sträube mich. Ich lehne mich weit zurück, damit die Berichte von den Greueltaten mich nicht anfassen können. Draußen ist doch Sonne und überhaupt überall Gegenwart, Gegenwart mit Zukunft. Werden nicht gerade alle Menschen Geschwister? Bewegt uns nicht gerade am meisten, daß man auch noch nach Ladenschluß Südfrüchte kaufen können muß? Und da kommt dieser Film hereingeplatzt und macht auch den Himmel über Berlin wieder ein Stück kälter. Spielverderberin Vergangenheit.

Der sowjetische Film „Die Macht von Solovki“, von Marina Goldovskaja, UdSSR '88, ist ein Dokumentarfilm über die Strafkolonie und das spätere Lager Solovki. Und der erste sowjetische Film über die Geschichte eines Straflagers. Solovki - eine Weißmeer-Inselgruppe im Norden Rußlands - ist zum Inbegriff des Schreckens geworden. Drei Klöster gab es zuerst auf Solovki, in die rebellierende Priester deportiert wurden. Zar Iwan der Schreckliche verwandelte die Klöster in Kerker. Unter Stalin wurden ab 1923 Zwangsarbeiter, „Konterrevolutionäre“, nach Solovki gebracht. Daß die Geschichte von Solovki ans Licht kam, ist das Werk von Marina Goldovskaja, die durch ihre Recherchen einen alten „Aufklärungsfilm“ der Militärspionageorganisation entdeckte; und Briefe, von Gefangenen, die spurlos verschwunden sind.

Und sie hat Überlebende gefunden, die sprechen können. Was heißt sprechen können. Ihre Augen sind es, die man nicht vergessen kann. Opfer im Bewußtsein ihres zufälligen Überlebens. Einmal bittet einer darum, die Kamera jetzt abzustellen, als er von der Folter der „Mückenschwärme“ berichtet: Gefangene wurden nackt auf Baumstümpfe gestellt und Hunderten von Mückenschwärmen ausgesetzt. Dazwischengeschnitten sind Wochenschauteile und wochenschauähnliche Szenen aus dem „Aufklärungsfilm“: gestellte, harmlose Anordnungen von Gefangenen mit Bademöglichkeit im Meer, Frauen in weißen Kitteln bringen Männern Essen an weiße Tischtuchtische. Schnitt. Farbige Postkartenansichten von höhnisch glitzerndem Wasser rund um die Inseln, kalte Wälder aus Nadelbäumen. Schnitt. Maxim Gorki besucht das Lager, sieht und sieht weg, weil Besserung versprochen wird, wenn er schweigt. Schnitt. Stalin stolz, Militärparade, Turnerinnen schwenken Fahnen. 1939 ist das Lager geschlossen worden. Claudia Kohlhas

20./23./27.11., 18.45 im KoKi, 24./29., 20 Uhr, Modernes