Bürgermeister zum Rathausführer

Klaus Wedemeier spielte Fremdenführer im eigenen Rat-Haus für gar so Fremde  ■  Foto: Sabine Hedding

Eine gewisse Mauer irgendwo bei Berlin ist offen. Die Bremer Geschäfte bleiben zwar zu, aber ganz ganz allmählich werden auch hier die Ereignisse irgendwie „Wahnsinn“, „überwältigend“, „unfaßbar“. Gestern stellte z.B. Bürgermeister Klaus Wedemeier seinen Amtssessel im Senatssaal des Bremer Rathauses zur Verfügung und übernahm einen neuen Job als Rathausführer. Nebenbei bemerkt: Ausgesprochen charmant, sachkundig und lokalgeschichts -sattelfest. Wenn auch nur für fünf Minuten. Auf den Präsidentensessel des Senats wurde derweil Oma Teichmann aus Rostock freundlich vom Bürgermeister-Rathausführer komplimentiert: „Hier setzten wir heute die Oma hin, Ute, sag denen doch mal, sie sollen sich ruhig hinsetzen.“

Kurz: Auch im Hause Wedemeier ging es am Wochenende zu wie in -zig anderen Bremer Familien, etwas enger als gewöhnlich und herzlich herzlicher. Ute und Klaus stellten Gäste-und Kinderzimmer für Besuch aus Rostock zur Verfügung und machten so die Bekannschaft von Professor Teichmann (Psychiater) aus Rostock nebst Gattin, Sohn Tilo und Oma Ilse. Alle vier standen zufällig und noch obdachlos gerade im SPD-Parteibüro in Findorff, als Klaus und Ute Wedemeier am Samstag abend dort persönlich Kost und Logis anboten. Das paßte und wurde ein schöner Abend. Erst gemeinsames Essen beim Italiener, dann deutsch-deutsche Diskussion bei rotem Bordeaux aus dem Wedemeierschen Weinkeller bis spät in die Nacht.

Gestern vormittag ließ Wedemeier es sich dann nicht nehmen, dem Besuch aus Rostock seinen Arbeitsplatz höchstpersönlich zu zeigen, und wer sonst noch alles über seine Amtsvorgänger Kaisen, Spitta oder Smidt erfahren wollte, war natürlich auch eingeladen und bei Klaus Wedemeier gut aufgehoben: Keine Rathausbüste, kein Konterfei, von dem Wedemeier nicht aus der Lameng wüßte, wer sie wann zu wessen Ehren gemacht hätte. Und ganz en passant gab's für die Gäste gleich einen kleinen Bremer Grundkurs in Demokratie: „So, und hier wird richtig abgestimmt“, führte Wedemeier ins Geheimnis des Senatssaals und seines runden (eigentlich ja eher ovalen) Tisches ein. Konter aus einem besetzten Senatorensessel: „Bei uns jetzt auch!“

Dann der Abschied mit unfreiwilligem Einblick ins bürgermeisterliche Eheleben: Herzliches Händeschütteln, Vereinbarungen von Gegenbesuchen, endlich reißt sich der Bürgermeister von den neuen Bekannten los: „Tschüß, Professor, ich muß jetzt arbeiten“, will schon auf dem Absatz kehrt machen. Ein mild-strafender Blick von Ute, ein schuldbewußter Blick des Bürgermeisters: „Ach so!“ Dann, wird auch Zeit, ein schneller Ich-geh-jetzt-ins-Büro-Kuß. Bremens First Lady kopfschüttelnd: „Dieser Mann!“

K.S.