„Wiederholung des Immergleichen“

Grüne Frauen sagten autonomes Frauenplenum wegen „rüder Ausladung“ von Referentinnen ab  ■  Von Ferdos Forudastan

Saarbrücken (taz) - Kaum zwei Stunden war es am Freitag abend her, seit Vorstandssprecher Ralf Fücks den Perspektiven-Kongreß eröffnet hatte, da stand für Ursel Döhmann fest: „Dies hier ist kein Plenum mehr für Frauen.“ Statt dessen verlas sie eine Erklärung, mit der sie und zwölf weitere Frauen aus grünen Kreisverbänden, dem Bundesvorstand und autonomen Gruppen das für Samstag geplante autonome Frauenplenum absagten. „Unter diesen Bedingungen wird es zu einem Feigenblatt für die Grünen, um Wählerinnen zu fangen.“ Die Bedingungen: Zwei geladene Wissenschaftlerinnen waren kurzerhand ausgeladen worden, das autonome Frauenplenum hätte zur gleichen Zeit stattfinden sollen wie das attraktive Forum zu Ost-West, und die meisten Foren waren von einer paritätischen Besetzung weit entfernt.

Über „ökologische Vision und Industriegesellschaft“ hatte man unter anderem mit den Wissenschaftlerinnen Maria Mies und Christina Thürmer-Rohr, mit Waltraud Schoppe, Astrid Geese und Hilde Wackernagel bei dem ursprünglich geplanten Auftaktplenum diskutieren wollen.

Als sich vorletztes Wochenende jedoch die Ereignisse in der DDR überschlugen, beschloß der grüne Bundesvorstand hektisch, das Programm zu ändern: DDR-BRD statt Ökologie und Industrie, Albert Statz von der Berliner AL, drei Männer und eine Frau aus der DDR-Opposition statt der geladenen Frauen und Helmut Lippelt als Moderator statt Adrienne Goehler. Kurzerhand sagte man Maria Mies und Christina Thürmer-Rohr telefonisch ab.

Sie seien einfach nicht auf die Idee gekommen, die Frauen auch zu dem neuen Thema einzuladen, sagten Verena Krieger und Renate Damus vom grünen Bundesvorstand heute dazu. Als eine „Mißachtung unserer Fähigkeiten, uns auf die aktuelle politische Situation ebenso einstellen zu können wie andere das auch tun“, erschien den Wissenschaftlerinnen dieses Vorgehen. Und auch die grünen und autonomen Frauen befanden in ihrer Erklärung: „Es muß... wie eine Wiederholung des Immergleichen verstanden werden, wenn Referentinnen... das Eröffnungspodium verwehrt wird, weil man ihnen unterstellt, daß sie zur Zeitbewegung... nichts zu sagen haben.“ So formulierte es Halina Bendkowski, Sprecherin der Berliner Frauenfraktion.

Sie, wie auch andere Unterzeichnerinnen, störte nicht, daß man das Thema des Auftaktplenums geändert hatte, denn „natürlich muß eine Partei flexibel sein, muß auf aktuelle Ereignisse schnell reagieren können“. Sie, wie die meisten anderen Frauen, kritisierte vor allem, daß man die Referentinnen einfach ausgeladen hatte. Jutta Ditfurth allerdings monierte die Programmänderung an sich und kritisierte, daß man mit dem Thema DDR wichtige Fragen grüner Perspektiven und Verhältnisse in der BRD habe übertünchen wollen.

Nicht ganz einig waren die Frauen sich auch in der Frage, wie man am besten auf das Vorgehen des Parteivortandes reagieren solle. Gisela Wülffing vom Bundesvorstand kritisierte die Absage des autonomen Frauenplenums als „defensive, hilflose Geste“.

Die Unterzeichnerinnen der Erklärung hielten sie für notwendig, um das Plenum nicht zur „absoluten Alibiveranstaltung“, so die grüne Bundesfrauenreferentin Sigrun Klüger, verkommen zu lassen - eine verständliche Befürchtung, betrachtet man den Umgang mit Frauen und der Frauenfrage auch an anderen Stellen dieses Kongresses: Das autonome Frauenplenum wurde in zeitlicher Konkurrenz zum Forum „Umbruch im Osten - im Westen nichts Neues“ angeboten. Fast alle Podien waren von einer paritätischen Besetzung mehr oder weniger weit entfernt. Auf die Kritik der Frauen ging Ralf Fücks in seiner Eröffnungsrede nicht ein: „Ich fühlte mich erschlagen, konnte nicht so schnell darauf reagieren.“ Nicht einmal kurz wurde die Erklärung der Frauen von den KongreßteilnehmerInnen diskutiert.

Und wie ein Symbol wirkte es schließlich, daß das Forum zur Gen- und Reproduktionstechnologie ausfiel. Die geladenen feministischen Vertreterinnen von „Finnrage“ und der Krüppelinitiative hatten bereits im Vorfeld abgesagt. Und auch Jutta Ditfurth beschloß kurzfristig, doch nicht teilzunehmen. Was nach ihrer Darstellung neben politischen Gründen der Auslöser dafür war: der schroffe Rausschmiß der Frauen aus dem Auftaktplenum.