Selbstisolation der Polizei

■ betr.: „Was ist los mit der Bremer Polizei?“ taz vom 10.11.

Die Veranstaltung in der Villa Ichon, die meiner Meinung nach auch zum Ziel hatte, offen über die Problemfelder des Polizeiberufes zu sprechen, ist zum Nachteil der Polizeibeschäftigten ausgegangen. Während die Veranstalter bemüht waren, insbesondere auch Jürgen Alberts, ein vertrauliches und verständnisvolles Klima herzustellen, in dem es möglich gewesen wäre, auch polizeiimanente Schwierigkeiten darzulegen und zu besprechen, was einzig und allein die Grundlage für die Schaffung einer gesellschaftlich integrierten Polizei sein kann, wurde die Veranstaltung durch die anwesenden Führungsbeamten des höheren Polizeidienstes und ihre rein formalen Statesments an sich gerissen. Dies hatte zur Folge, daß sich die Führungsmeinung wie eine klebrige Masse über die anderen anwesenden Polizisten legte und ihre freie Meinungsäußerung verhinderte. Unausgesprochen wußte jeder, daß er mit Schwierigkeiten rechnen müßte, wenn er andere Ansichten vertreten hätte. Vermutlich steckte Absicht dahinter, denn eine offene Diskussion hätte nicht nur eklatante Mißstände zur Sprache gebracht, sondern auch in erheblichem Maße die Führung in Frage gestellt. Daß aber ein großteil der Vorgesetzten inhaltlichen Diskussion nicht gewachsen ist, wird immer wieder durch traurige Erlebnisse bestätigt. Nur ein strenges Beurteilungssystem und ein rigide angewendetes Disziplinarrecht hält die nachgeordneten Beamten ruhig. Solche Führungsbeamte halten sich für die noch einzigen, vorhandenen Stützen der Demokratie, während sich die übrige Gesellschaft langsam auflöst. Dabei klammern sie sich so sehr an Gesetze und höchstrichterliche Entscheidungen, daß die Freiheit erstickt werden kann. Und verlangen von jedem auch noch mit zumachen. Allerdings ist ihnen auch nichts anderes in die Hand gegeben worden. Schauen sie nur ein bißchen über ihren Tellerrand, drohen sie abzustürzen ins Ungewisse. Davor haben sie Angst. Aber diese Angst muß als Voraussetzung zur Öffnung überwunden werden. Da gibt es die schulmeisterlich auftretenden Führungsbeamten, die sich dafür einsetzen, daß die Polizei, insbesondere in der Ausbildung, ein Gegengewicht zur gesellschaftlichen Entwicklung bieten muß, während die Politiker lauthals bekanntgeben, daß sie für eine bürgernahe Polizei sind und sie ein Spiegelbild der Gesellschaft sein soll. Dafür hätte sie aber auch die letzten Jahrzehnte gesellschaftlicher Entwicklung in ihren eigenen Reihen zulassen müssen, anstatt sie zu unterdrücken. Das hat zur Abkehr von großen Teilen der Bevölkerung geführt und zur Selbstisolation der Polizei. Immer mehr Feindbilder werden herausgegeben, um von den inneren Mißständen abzulenken. Das Bestreben, alles zu meistern, die Abschottung hinter immer mehr Dienstanweisungen führt zu immer weiterer Entmenschlichung und Instrumentalisierung der Polizei. Das wirkt sich bis ins letzte Glied aus. Menschliche Hilfen zur Bewältigung der emotionalen Spannnugen aus der Alltagsarbeit der Poliziste gibt es nicht. Menschlichkeit ist abzulehnende Weichheit. Die Arbeit im Konfliktfeld der Gesllschaft muß von den Polizisten alleine verwunden werden. Daß Polizisten, wie Sozialarbeiter, als „Ausputzer“ der gesellschaflichen Fehlentwicklungen dienen, ist vielen bekannt, was sich dahinter in der Realität für Elend verbirgt wissen viele nicht und Verantwortliche wollen es nicht wahrhaben. Die mit dieser Tätigkeit einhergehenden psychischen Belastungen werden ignoriert. Sie führen zu emotionaler Verkürzung, Verrohung und Alkoholmißbrauch. Notbremsen, die gezogen werden. Die Erforschung dieser Probleme, die zu einem Teil sicherlich auch Grundlage für Übergriffe sind, ist anzustreben, um sie abzustellen. Das bedeutet auch, daß hierüber offen gespeochen werden muß und kann. Aber auch die ständige Ausübung von staatlicher Gewalt an sich, hat psychologische Auswirkungen. Der Polizist wird zum immer Recht habenden Lehrer; wenn er nicht ganz Recht hat, so ist er bemüht, alles anzustellen, um Recht zu behalten ....

Daß über die geschilderten Probleme wenig innerhalb und außerhalb der Polizei gesprochen wird, liegt mit Sicherheit daran, daß zwar die freie Meinungsäußerung von der Polizei geschützt werden soll, aber innerhalb der Polizei wird sie negativ sanktioniert. Es hat sehr wohl schon kritische Polizisten in Bremen gegeben. Es gab Polizisten, die sich offen gegen die Mittelstreckenraketenstationierung ausgesprochen hatten, den Kefelder Appel unterzeichneten, ihren Protest, auch gegen die inneren Verhältnisse in der Polizei, durch demonstratives Ohrringetragen dokumentierten und vieles mehr. Solche Gruppen wurden und werden zerschlagen. Beamte, die selbst an Demonstrationen teilnehmen, werden benachteiligt. Z.B. wurde ein Polizist auf einer Anti-NPD-Demo gesehen und dafür 8 Monate von einer Beföderung zurückgestellt, weil nach Aussage der Leitung durch die Demoteilnahme gegen die NPD an seiner Loyalität zu zweifeln sei und er sich das Vertrauen erst wieder erwerben müsse. Sog. „Rädelsführer“ unter den fortschrittlich gesinnten Polizisten werden ausgemacht und verfolgt, mürbe gemacht und zum Teil mit illegalen Mitteln unter Druck gesetzt. All das wird durch einen Teil der sowieso schon kleinen Riege von Spitzenbeamten in der Polizei getan. Aber sie kommen immer noch weiter und höher und bauen ihre Macht aus, die sie mißbrauchen, gegen die, die sie in Frage stellen. Sie shen nicht die Notwendigkeit, die Polizei zu reformieren, von innen heraus zu verändern, die Hierarchie aufzulösen, eine Demokratisierung vorzunehmen. Sie sehen nicht die Gesellschaft, um deren Wohlergehen es geht, oder den einzelnen Polizisten auf der Straße, sie interessieren sich nur für die Erhaltung ihrer Macht. N.N., Polizeibeamter (Name der Redaktion bekannt