Grüne: „Theoriemüde“ und „politikunfähig“

■ Wie Bremer Grüne den Perspektivenkongress in Saarbrücken bewerten / Keine Erwartungen wurden nicht entäuscht

Mit Gefühlen zwischen „Enttäuschung“ und „vorsichtig zurückhaltendem Optimismus“ sind Bremer Grüne vom Wochen

endausflug ins Saarland zurückgekommen. Dort, in Saarbrücken, hatte vom Freitag bis Sonntag ein Perspektivenkongress eine für die Grünen nicht unwichtige Frage beantworten sollen: „Was wollen die Grünen?“

Es zeichnen sich Konturen ab, die den unfruchtbaren Streit beenden könnten“, hat Landesvorstand Günter Warszewa festgestellt. Ein solcher Kongreß sei sinnvoll, um sich erstens auf eine Regierungsverantwortung vorzubereiten, auch wenn die Chance dafür nicht gerade groß sei, und zweitens grünes Profil zu entwickeln. Die Grünen befänden sich in der programmatischen Diskussion in einer Umbruchphase. Bei den Bremer Grünen hat Warszewa eine Theoriemüdigkeit festgestellt: „Wie kann sich diese Gesellschaft verändern?“, diese Frage interessiere kaum jemanden. Die Diskussionsforen, die die Grünen im letzten Jahr veranstaltet haben, seien von vielen Gruppen und Experten wahrgenommen worden, „nur bei den Grünen nicht ausreichend.“

Wir haben hier in Bremen die Perspektivdiskussion noch gar nicht geführt“, meint der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Horst Frehe, einer der 15 KongreßteilnehmerInnen aus Bremen. „Unfähigkeit zur Perspektive“, die Frehe auch der Bundespartei bescheinigt, trotz Kongreß. Die

Diskussion sei vor allem um den Bauchnabel der Partei, den alten Konflikt zwischen Fundis und Realos, gekreist. „Die Partei schaut ohne Perspektive ins kommende Jahr.“ Frehes Note: Enttäuschend.

Und ohne neuen Schwung,

meint der Grüne Vorstand im KV Ost, Rolf Knavrek: „Ich hätte mir mehr Aufbruchstimmung gewünscht, wegen der Bundestagswahl.“

Wer ohne Erwartungen fährt, kann auch nicht enttäuscht werden. In diesem Sinne war Frehes

Parlamentskollege Paul Tiefenbach besser dran. „Ich hatte nicht die Wahnsinnsperspektive erwartet. So viele neue Ideen sind nicht da.“ Diskussionen um ökologischen Kapitalismus oder Sozialismus seien vor fünf Jahren schon genauso geführt worden. „Natürlich mache ich als jemand, der sich als Sozialist versteht, im Parlament auch Reformpolitik.“ Bei den Grünen fehle es aber an der Verknüpfung mit übergeordneten Zielsetzungen. Tiefenbachs Fazit: „Niemand der auf dem Kongreß war, hat jetzt eine bessere Orientierung.“

„Deswegen nach Saarbrücken zu fahren, war mir zuviel Aufwand.“ Tiefenbachs Fraktions

kollege Martin Thomas hat sich am Wochenende lieber vor den Fernseher gesetzt und die Diskussionen innerhalb der DDR verfolgt. „Das ist viel spannender als das, was die Grünen diskutieren.“ Solange innerhalb der Grünen zwei Parteien existierten, werde von der Partei keinerlei Dynamik ausgehen. Ebenso vernichtend Thomas‘ Beurteilung der Bremer Situation: Die Fraktion sei kein gemeinsames politisches Projekt mehr. Thomas: „Die Parlamentarier wollen zum großen Teil nichts mehr miteinander zu tun haben. Es herrscht eine Neidhammelkultur. Wir sind als Gruppe politisch nicht mehr handlungsfähig.“

hbk