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DU ABERST ABER

■ Faltsch Wagoni im Unart

Ein schwarzweiß gekleideter Herr kommt auf die kärglich ausgestattete Bühne. Seine Hose ist zu kurz, seine Stimme glitschrig wie eine eingeseifte Rutsche. Mit übertriebener Höflichkeit wirft er seine Eröffnungsrede ins Publikum. In Conferenciermanier vergangener Kabarettzeiten verkündet der Schmierenkomödiant mit dem festgefrorenen Lächeln, was das Ziel des Abends sein soll: viel Freude, viel, viel Freude. Das „Thema“, an dem sich alle erfreuen sollen, wirkt ein bißchen an den Haaren herbeigezogen: ein Künstlerpaar verläßt den Elfenbeinturm, um sich der gegenwärtigen Zukunft zu stellen. Diese Geschichte, die keine ist und keine wird, dient den beiden Faltsch Wagonis als Startschuß, um alle tragi-komischen Alltagssituationen des stocksteifen Paares durchzuspielen.

Er ist eine Quersumme aus Kaspar, Gangstervisage und zusammenbröckelnder Männlichkeit. Sie dagegen beschreitet mit viel zu großen, geraden Schritten das Revier der Bühne, halb Diva, halb Monster, ohne Blick fürs Publikum. Das weiß oft nicht, ob es immer lachen soll. Der Übergang von den blöd-sinnigen Passagen zu großem Ernst ist fließend. Silvana Prosperi und Thomas Busse sind keine oder nicht nur heimliche Schüler der Commedia dell'Arte. Überzogene Mimik und Spielweise sind nur der sichere Boden, auf dem Text und Musik sich austoben können. Die Texte, gesprochen, gesungen, simultan, im Sprechgesang vorgetragen, führen in die Irre und wieder zurück, das Banalste, Trivialste ist gerade gut genug dafür. Dada winkt von weitem; purer Nonsens ja und nein. Was als großer Schwachsinn daherkommt, ist vordergründige Blödelei und dick aufgetragene Wirklichkeit zugleich. „Weiche von mir, Fortuna“, schreit da ein vom Glück Verfolgter. Mit einem Kleeblatt als Schutzengel müht er sich, das Lottoglück zu bannen. Heimliche Konkurrentin des Showthemas „modernes Leben“ ist die Liebe und ihre Querschläger: „Hilfe, ich werde geliebt!“

Am Schluß des ersten Teils verlassen beide den Raum der Parodie und spielen sich selbst. Ihr Schlager „Ich weine ja nur, weil das bei mir so ist, daß ich nicht bei mir bin, wenn du nicht bei mir bist“, ist ohrwurmverdächtig. Der Großteil des Programms lebt jedoch von den rasenden Texten. Geschwindigkeit wird zum Vergnügen. Die beiden von Faltsch Wagoni, Autodidakten vom Feinsten, spielen seit acht Jahren. Nicht der geringste Hauch von Erschöpfung ist ihnen anzumerken. Das Publikum will nicht mehr gehen. Sie spielen weiter, als hätten sie noch einen ganzen Karton voller Musiktexte.

Gabriele Mittag

„Wenn schon daneben, dann neben mir“, täglich bis 26.11. im Unart, Oranienstraße 163, um 21 Uhr.

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