Nun wackelt auch die SPD-Fraktion am Museum

■ SPD-Fraktion zog sich zu einer dreitägigen Klausurtagung zurück / Historisches Museum wird in Frage gestellt / Neuer, fairer Umtauschkurs für DDR-Touristen könnte an einen Höchstbetrag und Abschaffung des Begrüßungsgeldes gekoppelt werden

Die neue Lage in der Stadt scheint auch die Phantasie der SPD-Fraktion beflügelt zu haben, die sich das gesamte Wochenende über in Klausur zurückgezogen hatte. Nach den Worten ihres Fraktionsvorsitzenden Dietmar Staffelt „wächst in der Fraktion die Neigung, auf eine Verschiebung des Historischen Museums zu drängen“.

Offenbar ist eine Reihe von Abgeordneten gewillt, sowohl den bisherigen Standort als auch die bisherige Konzeption in Frage zu stellen. Auf einen gemeinsamen Beschluß konnte sich die Fraktion allerdings noch nicht verständigen - in dem mehrseitigen Papier, in dem die Ergebnisse der Fraktionsklausur aufgelistet sind, taucht das Wort „Historisches Museum“ jedenfalls nicht auf. In anderen Punkten war die SPD-Fraktion weniger zögerlich: Sie forderte den Senat auf, mit der DDR und der PreußenElektra in Gespräche über die heiß umstrittene Stromtrasse einzutreten (siehe auch Bericht unten). Von der Bundesregierung forderte sie, das Begrüßungsgeld für DDR-Bürger zu streichen und durch eine Regelung zu ersetzen, die dem Selbstverständnis der DDR-Bürger eher entspräche: Die DDR-Bürger sollten statt dessen einen bestimmten Betrag an Ost-Mark zu einem bestimmten Kurs umtauschen können, der vorher festgelegt wird.

Nach den Worten von Staffelt diskutierte die Fraktion am Sonntag folgendes Modell: DDR-Bürger sollten beispielsweise in einem Verhältnis von 1:4 umtauschen können, allerdings bis zu einem Höchstbetrag von 500 DM. Dies würde den Bundeshaushalt mit acht Milliarden Mark belasten. Vom Senat und der IHK verlangt die Fraktion, das Projekt Ost-West -Wirtschaftsakademie voranzutreiben, notfalls müsse der Senat eine „Anschubfinanzierung“ vornehmen, meinte Staffelt.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende betonte immer wieder, daß alle Planungen künftig auf die Region Berlin mit einer Bevölkerungszahl von vier bis fünf Millionen Menschen abgestellt werden müßten. Dies mache insbesondere eine Umorientierung in der gesamten Kommunalpolitik notwendig. Im Bereich des Umweltschutzes strebt die Fraktion auch eine gemeinsame Smog-Verordnung an, die sich allerdings an den Werten West-Berlins orientieren müsse. Der „Zentrale Bereich“ (das Gelände zwischen Moabiter Werder und Potsdamer Platz) müsse wieder ein „multifunktionales Zentrum von Dienstleistung, Kultur, Wohnen und Erholung werden“. Die Planungen für die BUGA müßten für dieses Gebiet überdacht werden.

Auch die Alliierten sollen angesichts der veränderten Lage mit neuen Forderungen konfrontiert werden: Nach dem Willen der SPD-Fraktion soll geprüft werden, ob die Alliierten die von ihnen genutzten Flächen weiterhin in diesem Ausmaß benötigen.

Die Fraktion sprach sich gegen den Flughafenausbau aus, brachte statt dessen eine enge Kooperation mit dem Flughafen Schönefeld sowie den Vorschlag ins Gespräch, außerhalb der Stadt einen gemeinsamen Großflughafen zu bauen.

Die SPD-Abgeordneten brachten auch einen „Regionalausschuß“ ins Gespräch, in dem unter anderem der Bevollmächtigte der Bundesregierung, die Senatskanzlei, Vertreter der DDR -Regierung sowie des Ost-Berliner Magistrats vertreten sein sollen. Dieses Gremium solle nur „beratende Funktion“ haben und sei mit dem Status der Stadt gut zu vereinbaren. Ein solcher Ausschuß sei jedoch nötig, um auf Fehlentwicklungen in der „Region Berlin frühzeitig aufmerksam“ zu machen. Von Bonn fordert die SPD-Fraktion einen Aufstockung des Bundeszuschusses für West-Berlin um 372 Millionen Mark.

Allein 150 Millionen davon würden auf den Bereich Verkehr entfallen. Durch die kostenlose Nutzung der BVG durch die DDR-Besucher rechnet die SPD für das Jahr 1990 damit, daß der BVG neue Verluste in Höhe von 125 Millionen Mark entstehen.

U. Sieber