THEATER

■ Rolf Schneider: "Theater in einem besiegten Land - Dramaturgie der deutschen Nachkriegszeit 1945 - 49

Rolf Schneider hat einen kurzen Überblick über das Nachkriegstheater (1945-1949) in Deutschland geschrieben. Ein nützliches Buch, in dem sehr subjektive Wertungen und allerhand Statistisches angenehm nebeneinander Platz finden. Es waren Jahre des Theaterfiebers. An einem Tag im Februar 1946 gab es in Berlin zweihundert verschiedene Theaterveranstaltungen. In meist schlecht- bis überhaupt nicht geheizten Räumen. Am 27. Mai fand die erste Berliner Nachkriegstheateraufführung statt: „Der Raub der Sabinerinnen“. Die Zensur hatte das Sagen. In Ost und West. Im Westen hießen die Kulturoffiziere z.B. John Olden, Alfred Döblin oder Golo Mann. Aufgeführt wurde viel Importware: Noel Coward, Terence Rattigan oder John B. Priestley. Prägend wirkte der französische Einfluß. Pagnol, Giraudoux, Claudel, vor allem aber Jean Paul Sartre. Schneider meint: „Manches bei Sartre („Die schmutzigen Hände“) erinnert in den Intentionen an Brechts 'Maßnahme‘, denn beides sind Beispiele der linksintellektuellen Faszination durch eine Bewegung, die ihre Heilsversprechen mit der praktizierten Grausamkeit einlöste.“

Die deutschen Autoren der Stunde Null hießen Günther Weisenborn, Georg Kaiser, Curt Goetz, Wolfgang Borchert, Bertolt Brecht und Carl Zuckmayer. Schneider zitiert ausführlich die zeitgenössische Kritik, das erhöht den Reiz des Buches. Paul Rillas Verriß von Zuckmayers „Des Teufels General“ ist nach wie vor lesenswert, sein Pathos ist selbst Geschichte geworden: „Zuckmayer segnet, wo er fluchen müßte... Statt die Wölfe und Hyänen vom Leichenfeld der Menschenwürde zu verjagen, hält er es mit der Menschenwürde von Wölfen und Hyänen... Tragisch ist, daß 'Des Teufels General‘ das meistgespielte und meistdiskutierte Stück ist. Tragisch ist, daß Zuckmayer diesen Erfolg für das Zeichen einer deutschen Wandlung hält.“ Schneider kommentiert: „Rillas Verriß sorgte dafür, daß Carl Zuckmayer für ein paar Jahre gänzlich von den ostdeutschen Bühnen verschwand. Ohnehin war der Erfolg von 'Des Teufels General‘ ein ausschließlicher Erfolg des Theaters in den drei Westzonen. In der Distanz unserer heutigen Jahre transportiert das Stück viel vom originalen Ton eines Milieus, welches sich aus purem Leichtsinn oder mit einer sonderbar infantilen politischen Unschuld auf die Hitlerei einließ, wodurch dann wieder einiges erklärbar wird an der Wirkungsgeschichte des Nazismus in Deutschland. Dies alles mochte 1948 noch völlig anders erscheinen, aus Gründen der mangelnden Abstände. Man mußte das, was wir heute als Dokument sehen, als einen abgefeimten Rechtfertigungsversuch werten, denn als ein ebensolcher wurde er auch von den Akklamateuren begriffen.“

Rolf Schneider, Theater in einem besiegten Land Dramaturgie der deutschen Nachkriegszeit 1945-49, Ullstein -Taschenbuch, 144 Seiten, Fotos, 19,80 DM