Amnestie-betr.: An den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Richard von Weizsäcker

An den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Richard von Weizsäcker

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, der Zeitpunkt, mit einer Bitte an Sie heranzutreten, erscheint uns wohl bedacht.

1989, ein politisch turbulentes Jahr mit geschichtsträchtigen Jubiläen neigt sich dem Ende zu. Als Glanzlicht verfolgen wir die Freiheit unserer deutschen MitbürgerInnen mit großem Interesse und freuen uns mit ihnen.

Nur zu gut können wir nachempfinden, was es für viele Menschen heißt, der Unfreiheit und Bevormundung zu entfliehen. Damit wir Menschen in den Gefängnissen der Bundesrepublik in diesen denkwürdigen Tagen nicht in Vergessenheit geraten, bitten wir Sie, für alle Gefangenen in deutschen Gefängnissen eine Amnestie zu beschließen und in diesem Jahr der großen Geschichte, wo alle Zeichen der Zeit weltweit Freiheit signalisieren, Grenzen und Mauern niedergerissen werden, uns eine Chance zur Bewährung in der menschlichen Gesellschaft zu gewähren; kraft Ihres Amtes und Ihrer populären Souveränität zur Befriedung der Gesellschaft beizutragen, Signale zu setzen für eine neue Zeit im Sinne von Globalbewußtsein, Demokratie in Verbesserung, für die Freiheit und den Umweltschutz. Eine menschliche deutsche Vorreiternation im gemeinsamen Europa.

Der Zeitgeist befindet sich im Wandel, und das verantwortungsvolle Bewußtsein wächst, auch in diesen Häusern. Wir möchten an der Freiheit des deutschen Volkes partizipieren und zur Feier des Anlasses wieder in die Gemeinschaft aufgenommen werden. (...)

Ralf Köder, JVA Kaisheim

Ist die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze nicht ein sehr schöner Anlaß, westdeutschen Gefangenen Amnestie zu gewähren, damit auch wir Gefangenen Freude und Hoffnung bekommen?

Ingo Rock, JVA Butzbach