„Les Verts“ sichern den Status quo

■ Bei ihrem Parteikongreß in Marseille hielten sich die französischen Grünen mit Strukturdebatten auf Kaum inhaltliche Diskussionen / Antoine Waechters Position („weder rechts noch links“) gestärkt

Paris (taz) - Der Höhenflug der französischen Grünen von einer kleinen Basisbewegung zur viertstärksten Partei im Lande ist rasant verlaufen: An die zwei Millionen Stimmen (10,59 Prozent) bei den Wahlen zum Europaparlament, Abgeordnete in über 1.000 Gemeinderäten seit den Kommunalwahlen im Frühjahr, eine Vervielfachung der Mitgliederzahlen von 1.000 auf 4.600 in nur einem Jahr. Bei ihrem ersten Parteitag seit den beiden Wahlerfolgen machten sich „Les Verts“ am vergangenen Wochenende in Marseille daran, ihre Strukturen vorsichtig dem raschen Wachstum anzupassen und waren sorgsam darauf bedacht, die neugewonnene Reputation nicht durch Flügelkämpfe und eindeutige politische Festlegungen zu gefährden. „Die einzigen inhaltlichen Diskussionen gingen um sanfte Medizin und Esperanto“, meinte eine Teilnehmerin sarkastisch.

Die Strategie des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Antoine Waechter (4o), die Grünen strikt von anderen Parteien abzugrenzen und sie als unabhängige ÖkolobbyistInnen in der Parteienlandschaft zu etablieren, ist in den Augen vieler AnhängerInnen aufgegangen. In der Beliebtheitsskala der Politiker hat Waechter nach neuesten Umfragen mit 45 Prozent den sechsten Rang erreicht, und für die Medien ist er der Hauptansprechpartner. Bis zu den Parlamentswahlen 1992 lehnt er jegliche Verhandlungen mit den Sozialisten zur Abschaffung des Mehrheitswahlrechts, das den Grünen den Einzug ins französische Parlament bislang verwehrt, strikt ab: „Keine Verhandlungen, keine Kompromisse. Wir müssen eine eigene Mehrheit aufbauen.“

Für seinen innerparteilichen Kritiker Guy Hascoet hat dieser Autonomiekurs etwas Größenwahnsinniges: „Wir dürfen nicht so tun, als ob die Grünen ab morgen das Land regieren können.“ Der Rückhalt für Waechter zeigte sich bei der Wahl der neuen Funktionsträger: Sowohl die drei Parteisprecher als auch der Generalsekretär Guy Cambot gelten als „Waechterianer“. Der jüngste Mitgliederzustrom hat „Les Verts“ ein buntes Gemisch von AnhängerInnen beschert. Das Spektrum der 600 ParteitagsteilnehmerInnen reichte vom ehemaligen Luftwaffenpiloten über den Biobauern bis zum Alt -Trotzkisten. Um bei der Explosion der Mitgliederstärke mitzuhalten, hat der Parteitag damit begonnen, das basisdemokratisch und dezentral ausgerichtete Statut vorsichtig zu modifizieren. Die Entscheidungskompetenz soll stärker auf nationale Gremien vorgelagert, das Verhältniswahlrecht durchgängig eingeführt werden. Und, um einer Unterwanderung der Partei vorzubeugen, gilt für Neumitglieder ab sofort eine zweijährige Sperrfrist, bevor sie in ein Führungsgremium rücken dürfen.

Peter Hartl