Zukunftsperspektive

■ Der demokratischen Revolution in der CSSR fehlen die politischen Köpfe

Die demokratische Revolution ist auf dem Weg. Mag sein, daß die Fehlinformation über den Tod eines Studenten Wasser auf die Mühlen war. Und mag auch sein, daß ohne das Beispiel DDR die Bewegung noch auf sich warten ließe. Die Menschen haben in diesen Tagen nach der Prügelorgie am Wenzelsplatz die Angst verloren. Die Studenten bleiben die Hefe in einem Teig, der nun sogar die Arbeiter erreicht hat. Und nachdem die unterschiedlichsten und früher oftmals zerstrittenen Gruppen der Opposition sich im Bürgerforum eine einheitliche und handlungsfähige Organisation geben konnten, ist die Doppelherrschaft schon im Werden.

Seit Dienstag sind zudem die Risse im Regime für alle offen. Klammern sich Parteichef Jakes und das alte Politbüro an die alten Formeln des Machterhalts, so geht der Staatsapparat schon eigene Wege. Und da Ministerpräsident Adamec bisher sein Versprechen einhalten konnte, keine Gewalt mehr anzuwenden, zeigt er, daß er stärker als seine alten Kumpanen ist. Seitdem die Blockparteien ganz im Stile Gerlachs in der DDR um zu Überleben ihrer Presse freien Lauf lassen, sind die Fäden der alten Prager Führung dünn geworden. Doch sie sind noch nicht gekappt. Denn was als Kitt den Staat und die Partei zusammenhält, ist die bedingungslose Kapitulation, die einzugestehen ist. Für eine Partei, die sich in den letzten Jahren alle Füße und Flügel abgeschlagen hat und nicht wie anderswo noch ein paar Reformer aus dem Hute zaubern kann, stehen die Perspektiven schlecht, in einem demokratischen System zu überleben.

So sind irrationale Handlungen immer noch nicht auszuschließen. Und da auch die Opposition sich auf die unerfahrene Jugend, die alten Köpfe und die Literaten stützten muß, sind die Persönlichkeiten dünn gesät, die den Übergang politisch formen können. Auch in der CSSR ist die Rückkehr zu einem demokratischen Sozialismus a la Dubcek, bei aller Wertschätzung für die 68er Generation, nämlich nicht mehr eine elektrisierende Perspektive. Da muß schon viel Neues her. Vielleicht ist es dieser Punkt, der viele Tschechoslowaken noch zögern läßt, selbst aktiv zu werden.

Erich Rathfelder