: Anschlag auf zwei baskische Abgeordnete
Das Mitglied der baskischen Koalition „Herri Batasuna“, Josu Muguruza, wurde am Montag erschossen, sein Parteigenosse Inaki Esnaola schwer verletzt / Beide wollten sich als Abgeordnete im Parlament vereidigen lassen / Verdacht fällt auf Rechtsextremisten ■ Aus Madrid Antje Bauer
In rechtsextremistischen - zivilen oder militärischen Kreisen vermutet die spanische Polizei die beiden Männer, die am Montag abend in Madrid Josu Muguruza erschossen und Inaki Esnaola schwer verletzten. Die beiden Abgeordneten der baskischen Parteienkoalition „Herri Batasuna“ hatten in einer größeren Gruppe am Montag abend in einem Madrider Hotel gegessen; am nächsten Tag hätten sie sich im neu konstituierten Parlament vereidigen lassen. Es war das erste Mal in der Geschichte von „Herri Batasuna“, daß gewählte Abgeordnete bereit waren, ihren Parlamentssitz einzunehmen.
Die Schüsse, darin sind sich die Zeugen einig, galten Inaki Esnaola, einem der bekanntesten Mitglieder von „Herri Batasuna“. Er wurde schwer verletzt, doch Josu Muguruza, der in der Schußlinie saß, wurde durch eine Kugel getötet. Kurz nach der Tat feierte eine Gruppe von jungen Faschisten vor dem Hotel den Anschlag. Es war der 20.November. Todestag des Francisco Franco und fünfter Jahrestag der Ermordung des „Herri Batasuna„-Mitglieds Santi Brouard, dessen Mörder vermutlich aus den Reihen der Polizei kamen. Die Neun -Millimeter-Geschosse, die die Täter benutzten, wurden bis vor 13 Jahren von der spanischen Firma Santa Barbara hergestellt, die damit das Heer, die Polizei und die Guardia Civil ausrüstete. Die Geschosse sowie das symbolträchtige Datum lenken den Verdacht auf rechtsextremistische Kreise. Die Regierung hat die ehemalige „Antiputschbrigade“, die Anfang der 80er Jahre gebildet wurde und sich mit Rechtsextremismus befaßt, mit der Untersuchung beauftragt.
Der 41jährige Anwalt Esnaola, der schwer verletzt im Krankenhaus liegt, ist einer der bekanntesten Mitglieder von „Herri Batasuna“. Er gilt als Befürworter einer Dialoglösung. Bei den Gesprächen zwischen der ETA und der Regierung, die in diesem Frühjahr in Algerien geführt und im Frühsommer abgebrochen worden waren, gehörte Esnaola zu den Beratern der ETA. Gegen den Widerstand der Betonfraktion von „Herri Batasuna“, die allein auf den bewaffneten Kampf setzt, hatte die Parteienkoalition beschlossen, gelegentlich im spanischen Parlament aufzutauchen, um die Isolierung zu überwinden, der HB ausgesetzt ist und die Wiederaufnahme des Dialogs mit der ETA zu fördern. Jusu Muguruza (31) war Chefredakteur der Tageszeitung 'Egin‘, die HB-Positionen vertritt. Er galt als einer der denkenden Köpfe von „Herri Batasuna“, der einen Ausweg aus dem baskischen Dilemma in Verhandlungen suchte. Der Anschlag löste in Spanien Furcht vor einer neuen Gewaltspirale und dem Ende des Befriedungsprozesses im Baskenland aus. Der Parteisprecher von HB erklärte am Dienstag, daß die HB-Abgeordneten weiterhin an ihrer Absicht festhalten, sich vereidigen zu lassen. Das Parlament konstituierte sich wie vorgesehen am Dienstag, in Abwesenheit der HB-Abgeordneten. Einer Schweigeminute im Gedenken an den ermordeten Abgeordneten folgten Verurteilungen von „Gewalt, von wem auch immer“ ein Seitenhieb auf HB, die sich von Anschlägen der ETA nie distanzieren.
Für den Mittwoch hatte HB im Baskenland zu einem Generalstreik aus Protest gegen den Anschlag aufgerufen. Die Städte San Sebastian und Bilbao waren schon am frühen Morgen wegen Barrikaden unzugänglich, die Läden in Bilbao waren geschlossen, die öffentlichen Verkehrsmittel fuhren nicht. Am Mittwoch abend sollte in Bilbao der tote Josu Muguruza beigesetzt werden; im Verlauf des Tages lieferten sich dort Anhänger von HB Straßenschlachten mit der Polizei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen