Italiens Kommunisten suchen neuen Namen

PCI-Führung will die Kommunistische Partei im nächsten Jahr neu gründen / Abwendung vom Klassenkampf hin zu ökologischen und technologischen Themen / Mehr Autonomie in der Linken oder Unterwerfung unter Craxi? / Regionalverbände melden Bedenken an  ■  Aus Rom Werner Raith

Im Auge von PCI-Chef Achille Occhetto liegt etwas von Gary Grants stahlhartem High-Noon-Blick: „Es mußßßß sssein“, auch die vornüberhängenden Schultern vor den Mikrophonen künden von tief durchlittener, gleichwohl radikaler Entschlossenheit: Der Vorsitzende der größten kommunistischen Partei des Westens - noch immer mehr als eine Million Mitglieder, an die 27 Prozent Wählerstimmen will seinen Verein, über das im Frühjahr beschlossene Programm des „Nuovo PCI“ hinaus „völlig neugründen“, mit einer Art verfassungsgebender Versammlung („costituente“) und unter einem neuen Namen.

Mehr als drei Jahre lang hat der „Partito comunista italiano“ dem Druck der parteiinternen Rechten und dem maliziös nachfragenden Sozialistenchef Bettino Craxi (der das „communista“ stets als Hindernis für eine „Vereinigte Linke“ ausgab) widerstanden und den Namen trotzig beibehalten: inhaltlich, so gaben freilich außer dem Altstalinisten Armando Cossutta alle Kader zu, sei man längst sozialdemokratisiert, die Namensänderung lediglich eine logische Konsequenz. „Das Problem wäre längst gelöst“, sagt Massimo D'Alema, Chefredakteur der Parteizeitung 'L'Unita‘, „wenn es nicht bei uns schon eine sozialdemokratische Partei gäbe“ - eine Abspaltung vom PSI, mit gerade zwei Prozent Wählerstimmen. Welche Neubezeichnung Occhetto und Co. vorschwebt, ist noch nicht klar, wahrscheinlich etwas mit „Fortschritt“ und mit „demokratisch“: „Demokratische Fortschrittspartei“ zum Beispiel. Endgültig entscheiden soll darüber ein Sonderkongreß im Frühjahr.

Noch im Juni, als der PCI allen Prognosen zuwider bei den Europawahlen gegenüber den nationalen und regionalen Ergebnissen der letzten Jahre zulegte, ging eine Welle von „No“ durch die Parteibasis, wenn jemand von der Tilgung des Adjektivs „kommunistisch“ sprach; das Satiremagazin 'Cuore‘, das im Februar die Umbenennung der noch schwer depressiven Partei in „Mario“ empfohlen hatte, „weil das ein Name ist, den jeder gerne hat“, spottete nun, man werde sich nun doch umtaufen - aber in „Superkommunistische Partei“ oder in „Partei der echten Kommunisten“.

Daß die Parteispitze nun plötzlich doch die Eliminierung des Traditionsadjektivs durchzusetzen versucht, hängt natürlich mit den Vorgängen in Osteuropa zusammen - aber nicht nur. Occhettos Führungsriege - die 40 bis 50jährigen, die vor eineinhalb Jahren den PCI übernahmen - will sich des letzten Elements entledigen, das ihrer Ansicht nach einer Regierungsbeteiligung oder gar -übernahme in den kommenden Jahren noch im Weg steht, des diskriminierenden „C“ für „comunismo“: Das, so die Analytiker im Parteihauptquartier, störe sowohl den Vatikan wie die Amerikaner, die Sozialistische Internationale wie die - als Koalitionspartner gefragten - Grünen im In- wie im Ausland. Um dabei nicht bloßen Opportunismus zu beweisen und sich kleinlaut auch noch die Sünden des „realen Kommunismus“ im Osten aufhalsen zu lassen, haben sich die PCI-Oberen die Sache mit der „Costituente“ ausgedacht: eine völlige Neugründung und damit Tilgung des alten, durch den Stalinismus der fünfziger Jahre, aber auch den fehlgegangenen „historischen Kompromiß“ mit der Democrazia cristiana in den siebziger Jahren belasteten Partei. Dabei riskiert Occhetto allerdings eine Zerreißprobe: Gelingt es ihm nicht, sämtliche Flügel der Partei für sein Manöver zu gewinnen, kann es zur Spaltung kommen - mit tödlichen Folgen. Zieht zum Beispiel eine der Dissidentenformationen nicht mit und werkelt unter dem Namen PCI weiter, entstünde speziell bei den besonders treuen, älteren Wählern möglicherweise eine Totalverwirrung, die durch „falsche“ Stimmabgabe oder Wahlenthaltung die Occhetto-Partei schwer schädigen würde. Aber auch die 18 bis 30jährigen, die keine Berührungsängste mit der Vokabel „kommunistisch“ haben und die die Namensänderung als „unnützes Spektakel“ ansehen, könnten scharenweise davonlaufen, etwa zu den Grünen.

Einflußreiche Regionalverbände haben bereits ein klares „Nein“ (etwa Genua-Ligurien) oder „erhebliche Bedenken“ (Sizilien) gegen die Etikettenänderung angemeldet, wiewohl nahezu allesamt für die famose „Costituente“ sind, um den im Frühjahr begonnenen „neuen Kurs“ weiterzuentwickeln: die Abwendung vom alten Klassenkampfschema hin zu ökologischer und technologischer Thematik. Die schlimmsten Verdikte für Occhetto kommen innerparteilich von zwei besonders wichtigen Persönlichkeiten - Luciana Castellina, Mitbegründerin der Gruppe „Il manifesto“ der siebziger Jahre und heute eine der Bezugspersonen der PCI-Frauen, und von Pietro Ingrao, Repräsentant des „linken“ Flügels, trotz seiner mehr als 70 Jahre und seines Rückzugs aus dem Zentralkomitee vor einem Jahr noch immer ein Hoffnungsträger der Jugend: Ihnen gilt die Namensänderung als reines Oberflächenphänomen, das jedoch geeignet ist, allzuviel Energie von den Aufgaben der Zukunft abzuziehen. Und die sehen sie in der Herstellung einer gesamteuropäischen Linken - möglichst nicht unter der Hegemonie von reinen Machtpolitikern wie PSI-Chef Bettino Craxi. Schützenhilfe bekommen die Dissidenten mitunter von ungewohnter Seite: Marco Pannella, Gründer der Radikalen Partei und oft harter Kritiker des PCI, sieht „jedenfalls im Bankrott der östlichen KPs noch keinen Grund für eine Namensänderung - schließlich sind auch die Parteien mit dem anderen 'C‘, dem für 'christlich‘, inhaltlich längst pleite und haben dennoch ihren Namen nie geändert“.

So oder so: Occhetto will die Namensänderung in jedem Fall durchsetzen - er droht mit Rücktritt, wenn seine Vorschläge nicht durchkommen. Dabei kommen die entscheidenden Probleme wohl erst noch nach: Auch die Befürworter der Namensänderung sind nämlich aus ganz verschiedenen Gründen für die Umtaufe. Die „Miglioristen“ (Systemverbesserer) um Napolitano wollen sie, weil sie dadurch eine weitere Annäherung an Craxis PSI erhoffen, während zum Beispiel 'L'Unita'-Chef D'Alema wie viele jüngere ZK-Mitglieder danach eine größere Autonomie gerade vom machtbewußten Craxi erwarten. „Tröstlich immerhin“, spottet da 'Cuore‘, „daß mit der PCI -Namensänderung auch die Antikommunisten in eine tiefe Krise geraten - müssen doch so auch sie für sich einen neuen Namen finden.“