Die Schönheit des Todes

■ Berliner Salon zum Thema Altern - Sterben - Tod Nachbetrachtung einer mißlungenen Show

Der Tod ist im rationalistischen Zeitalter ein Skandal, aber kein Tabuthema mehr. Wilfried Rott stellt im Berliner Salon geradezu eine Springflut von Neuerscheinungen zum Thema: Alter - Sterben - Tod vor. Im Studio anwesend waren fünf SchriftstellerInnen, die auf die ein oder andere Art zum Thema veröffentlicht hatten. Vorneweg: Die Diskussionen waren chaotisch, was am Thema und an der Kürze der Zeit gelegen haben mag, denn ein weites Feld mußte bestellt werden mit allen Haupt- und Schlagworten.

Von der Automatisierung des Pflegebereichs wurde gesprochen und von der Institutionalisierung des Alters, immerhin sterben in den USA 80 bis 90 Prozent der Alten außer Haus. Das Wort vom „Vierten Lebensalter“ fiel, von den „Wilden Achtzigern“, vom „Tod der Familie“ und vom „drohenden Krieg der Generationen“.

Zu Anfang und zur Einstimmung wurden Totenmasken... „schön und grausam“... aus dem Photoband, „Der ewige schlaf, Gesichter des Todes“ von Rudolf Schäfer gezeigt, welcher über einen unerschütterlichen Fundus origineller ästhetischer und politischer Theorien verfügte, wohl DDR -hausgemacht.

Es stimme doch etwas nicht mit einer Gesellschaft, so Schäfer, die Tod und Geburt als etwas ekelhaftes betrachte, die natürliche Vorgänge mit der unzulässigen ästhetischen Elle mißt.

Als der Schweizer Altersforscher Arthur Imhof ihm zu bedenken gab, daß all seine Leichname nach weiteren Tagen nichts mehr mit seinen Photos gemein hätte, daß der Tod grausam sei, krönte Schäfer seine Theorie von der „natürlichen Schönheit“ mit einer ungewöhnlichen politischen Idee. Das zu behaupten sei eben das Supermarktdenken (das amerikanische), und da liege der Ost-West-Konflikt begraben, „daß sie glauben, daß das Steak im Supermarkt entsteht. Dafür muß man eine Kuh schlachten.“ Aha.

Und noch eine politische Lehre wurde uns mit auf den Weg gegeben, daß nämlich diese amerikanische Geisteshaltung, „... und die mag ich gar nicht...“ - nicht weit von der kommunistisch-stalinistischen entfernt sei. Was seine ästhetische Theorie betrifft, so muß man Schäfer dahingehend belehren, daß im Westen „natürlich“ und „schön“ nur bedingt etwas miteinander zu tun haben, sonst wäre jeder Scheißhaufen im Klosettbecken „schön“ zu nennen.

Barbara Dobrick (Wenn die alten Eltern sterben. Das endgültige Ende der Kindheit) sieht im Tod der Eltern eine Chance für das Kind, erwachsen zu werden. Eben. Da aber die meisten Kinder heute zwischen 40 und 50 sind, wenn ihre Eltern sterben, wer, so fragt man sich insgeheim, ist denn jetzt eigentlich erwachsen? Reimer Gronemeyers These vom „Tod der Familie“ parierte Frau Bobrick mit einem schlichten: „Glaub ich nicht.“ Denn es gibt ja noch die (ständig an Anzahl zunehmende) Ein-Eltern-Familie, sozusagen als kleinstes denkbares Familienrestrisiko, denn eine weitere Zersplitterung der Familie führt unweigerlich zur Aufzucht in der Retorte.

Arthur Imhof sprach mutig von der lästigen, nicht mehr enden wollenden Lebenszeit, die - sinnentleert und unerfüllt - vielen zum Alptraum wird, der nicht enden will, und fragte laut, wozu man denn all die Ressourcen aufbrächte, wenn die alten Menschen hinterher nichts mit der zeit anzufangen wüßten. Und als Winfried Rott nun fragte, wie?, ob man sie vielleicht töten solle, da entstand allseits leichte Unruhe.

Nun denn. Das war alles sehr, sehr traurig. Und für alle, die noch älter werden müssen: Es wird grauslich!

Layla Schimmel