El Salvador ist nicht Nicaragua

■ Eine Guerillaoffensive macht noch keinen Volksaufstand

Im August 1978 machten zwei Dutzend als Regierungssoldaten verkleidete Sandinisten den nicaraguanischen Diktator Somoza zum Gespött der Leute in aller Welt. Den Handstreich, mit dem sie damals das Regierungsgebäude im Zentrum Managuas besetzten, verewigte Gabriel Garcia Marquez in seiner Erzählung Der Sturm auf den Nationalpalast. Der salvadorianischen Guerilla könnte jetzt ähnliche Ehrung widerfahren. Pfiffig genug war sie jedenfalls, und einen Sinn für Symbolik besaß sie auch, als sie zwölf US -amerikanische Green Barets ausgerechnet im Nobelhotel Sheraton in ihre Gewalt brachte.

Ohne die üppige Militärhilfe aus Washington - das Scherflein „ziviler“ Hilfe aus Bonn sollte man darüber auch nicht vergessen - würde das rechtsextreme Regime von Arena -Partei, Armee und Todesschwadronen keinen Monat überleben. Wozu die USA in ihrem Wahn, einen eingebildeten Kommunismus aus Mittelamerika zu vertreiben, bereit sind, zeigen der Einsatz US-amerikanischer Bomberpiloten und die Entsendung der Anti-Terror-Truppe Delta Force in den letzten Tagen.

Die Guerilla weiß das und hat trotzdem (fast) alles auf die militärische Karte gesetzt, um der extremen Rechten wenigstens mäßige Reformen abzutrotzen. Ihr Ziel ist ein international ausgehandelter Waffenstillstand, der sie am Verhandlungstisch künftig nicht mehr Underdog sein läßt. Ihre Vorschläge liegen seit Jahresanfang auf dem Tisch: Säuberung der Armee, faire Wahlen, Sicherung der Agrarreform. Die Offensive soll jetzt der widerstrebenden Armee nachhelfen.

Aber El Salvador ist nicht Nicaragua. Der Besetzung des Nationalpalastes in Managua folgten damals fünf Tage später Volksaufstände in fünf Städten. Davon kann die FMLN nur träumen. Sie ist zwar in zehnjährigem Kampf zur ernsten militärischen Herausforderung für das Regime geworden. Sie bestimmt seit Monaten, wann und wo gekämpft wird. Doch Länge und Härte des Krieges führen auch dazu, daß sich die Mehrheit der Bevölkerung zwischen den Fronten fühlt.

Die Guerilla kann die Menschen in den besetzten Stadtvierteln weder vor den Bombenangriffen noch vor Racheakten der Regierungstruppen schützen. Und deshalb muß sie sich damit abfinden, daß zwar eine Minderheit ihr mit Lebensmitteln, Kurierdiensten und Barrikadenbauen hilft, die meisten aber lieber weiße Fahnen schwenken. Vielleicht geht das Kalkül der FMLN ja tatsächlich auf und es kommt zu einem schnellen Waffenstillstand. Scheitert die Guerilla aber militärisch und muß sie sich ohne Abkommen zurückziehen, dann hat sie auch bei ihren Sympathisanten viel politischen Kredit verspielt.

Michael Rediske