Keine „Berliner Luft“ im geteilten Nikosia

Eine unüberwindbare „green line“ trennt griechische und türkische Zyprioten / Verhandlungen in der Sackgasse  ■  Aus Nikosia Klaus Hillenbrand

„Omonia-Olympiakos 2:3“ In verblaßter Schrift ist die Siegesmeldung des Fußballklubs Olympiakos Nikosia vom 3. Juni 1961 an der Fassade des ehemaligen Fußballheims zu erkennen. Im Erdgeschoß des Gebäudes ist heute eine Schreinerei angesiedelt. Der erste Stock ist weg, abgebrannt während des Bürgerkrieges zwischen griechischen und türkischen Zyprioten vor 25 Jahren. Die Hermes Straße, wo auch Olympiakos einmal seinen Sitz hatte, war eine der Einkaufsmeilen der Hauptstadt Nikosia. Heute sind kleine Handwerksbetriebe in die früheren Läden eingezogen. 100 Meter hinter Olympiakos ist die bewohnte Welt zu Ende, Stacheldraht und Sandsackbarrieren versperren den Weg, gelangweilte Soldaten spielen Tavli. Hinter ihnen beginnt die Pufferzone der UNO-Friedenstruppen, die griechische Zyprioten von ihren ehemaligen türkischen Nachbarn trennt.

Quer durch die Altstadt Nikosias und die ganze Insel zieht sich diese „green line“, unüberwindbar für Zyprioten.

1964 wollten die Zyperngriechen die Enosis, die Vereinigung mit Griechenland. Die Türken verlangten Taksim, die Teilung Zyperns. 1974, zehn Jahre später, putschten die Obristen in Athen gegen die zypriotische Regierung. Türkische Soldaten starteten die Invasion im Norden Zyperns. Seitdem ist die Insel und die Hauptstadt Nikosia geteilt.

„Wir bitten bei unseren Bemühungen, die von türkischen Truppen erzwungene Teilung unserer Hauptstadt Nikosia zu beenden, um Ihre Unterstützung“, schrieb Zyperns Präsident Georgios Vassiliou an die Berliner Bürgermeister Momper (West) und Krack (Ost). Doch die „Berliner Luft der Kooperation“ (Vassiliou) mag in Nikosia nicht ankommen.

Freilich ist die Teilung Nikosias auch kaum mit der Berlins zu vergleichen. Kaum ein Zypriote ist in den letzten 15 Jahren aus dem türkisch besetzen Teil in die Republik geflohen. An der UNO-Pufferzone haben sich die Soldaten beider Seiten eingegraben. Über den Wachposten wehen nicht nur die Flaggen der Republik Zypern und der Türkei, sondern auch die Griechenlands (im Süden) und einer Phantomrepublik „Türkische Republik Nordzypern“.

Seit Jahren laufen, mit Unterbrechungen, sogenannte Volksgruppengespräche zwischen den ethnischen Gruppen. Ohne Ergebnis. Zwar hat man sich auf die Schaffung eines gemeinsamen Bundesstaats geeinigt, doch bei den Einzelheiten gibt es keine Verständigung. Die zyperntürkische Führung beharrt auf der weiteren Präsenz der türkischen Truppen, „zum eigenen Schutz“, wie sie sagt. Der Chef der linken Oppositionspartei „Republikanische Partei“ im Norden, Äzer Özgür, wirft dem zyperntürkischen „Präsidenten“ Denktasch freilich vor, an einer Wiedervereinigung überhaupt nicht mehr interessiert zu sein. Mindestens 40.000 Siedler vom türkischen Festland hat Denktasch ins Land geholt.

Mit vertrauensbildenden Maßnahmen versuchen die UNO -Friedenstruppen wenigstens zu erreichen, daß es an der „green line“ keine Toten gibt. 24 Militärposten in der Altstadt Nikosias wurden vor kurzem aufgelöst, UNO-Soldaten sorgen jetzt dort dafür, daß niemand die Pufferzone betritt.

Die Behauptung, Griechen und Türken auf der Insel vermögen es nicht miteinander friedlich zu leben, widerlegen die beiden Bürgermeister von Nikosia. Lellos Demetriades (Süd) und Mustafa Akinzi (Nord) arbeiten gemeinsam an einer Wiedervereinigung der Stadt.

Der mit Hilfe des UN-Entwicklungsplans CNDP erstellte Stadtentwicklungsplan sieht zwei Alternativen vor: eine für eine Wiedervereinigung, die andere bei Fortdauer der Trennung. Jeden Mittwoch treffen sich zyperngriechische und

-türkische Stadtplaner und Architekten im Geisterhotel „Ledra-Palace“ in der UNO-Pufferzone, um an einem gemeinsamen Nikosia zu arbeiten. Die Kooperation ist beispielhaft - doch ohne eine Gesamtlösung wird sie die „green line“ nur einen winzigen Spalt breit öffnen können. Nikosia ist nicht Berlin.