Erneut RAF-Prozeß eröffnet

Ehemaliger Kiefernstraßenbewohner wegen Mitgliedschaft in der RAF angeklagt / Beschuldigter beklagt Einschränkung von Verteidigungsmöglichkeiten / Prozeßgruppe wirft Bundesanwaltschaft Diffamierung vor  ■  Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Vor dem 6.Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts begann am Donnerstag in einem Sondergerichtsgebäude der Prozeß gegen Thomas Kilpper, dem die Bundesanwaltschaft Mitgliedschaft in der RAF und Urkundenfälschung vorwirft. Kilpper war am 9.Sep. 1988 verhaftet worden und sitzt seitdem in U-Haft. Die zahlreichen Prozeßbesucher und Journalisten mußten zum Verhandlungsauftakt die gewohnt scharfen Personenkontrollen über sich ergehen lassen. Anträge der Verteidigung, die Ausweis- und Personenkontrolle abzuschaffen und die in Zivil gekleideten Polizeibeamten von den Zuschauerplätzen zu entfernen, lehnte der Gerichtsvorsitzende Krantz ab.

Die Anklage geht davon aus, daß der von 1983 bis 1985 in einem besetzten Haus in der Düsseldorfer Kiefernstraße 1 lebende Kilpper zuletzt die „Führung“ einer sogenannten „kämpfenden Einheit“ innehatte, die von der Bundesanwaltschaft als RAF-Untergruppe angesehen wird. Konkrete Taten wirft die Anklage Kilpper in diesem Zusammenhang nicht vor. Kilpper habe jedoch enge Kontakte zu den in Stammheim wegen RAF-Mitgliedschaft verurteilten ehemaligen KiefernstraßenbewohnerInnen Christian Kluth, Luitgard Hornstein, Eric Prauss und Andrea Sievering gehabt und sei so in das Kommunikationssystem der RAF eingebunden gewesen. Nach deren Verhaftung soll Kilpper laut Anklage versucht haben, neue Mitglieder für die RAF zu werben. In seiner Wohnung fand die Polizei mehrere Ausweispapiere und Grundrißzeichnungen eines Gebäudes des Düsseldorfer Landeskriminalamtes. Daraus schließt die Anklage, Kilpper habe einen Anschlag auf das LKA vorbereitet. Thomas Kilpper selbst machte in der Verhandlung deutlich, daß er sich zum sogenannten „Widerstand“ zugehörig zählt. In einer an die Zuschauer gerichteten Erklärung sprach er mit Blick auf die im selben Gebäude angeklagten Kurden der PKK von den „kurdischen Genossen, die wie wir aus dem Widerstand mit ein und der selben Macht konfrontiert sind“. Seine Verteidigung sei durch Trennscheibe, geöffnete Verteidigerpost und Prozeßaktenmanipulation „faktisch außer Kraft gesetzt“. In diesem Prozeß werde der Versuch gemacht, ohne konkrete Tat anzuklagen, um künftig gegen alle vorgehen zu können, die die Ansätze zu einer revolutionären Front weiterentwickeln wollen.

In einer Presseerklärung der ihn unterstützenden Prozeßgruppe heißt es, er sei nie Mitglied der RAF gewesen, „sondern hat legal in dieser Stadt gelebt und als Teil des revolutionären Widerstands politisch gearbeitet“. In dem Prozeß gehe es der Bundesanwaltschaft darum, „Kriterien festzulegen, was ein Mitglied einer kämpfenden Einheit ausmachen soll“, um so ein Raster für „weitere Verfahren und Verhaftungen“ zu schaffen. Aus „ganz normalen Freundschaften“ würden „kämpfende Einheiten“ konstruiert. Der Prozeß gegen Kilpper werde zudem erneut genutzt, um die Kiefernstraße als „Terrornest“ zu diffamieren. Tatsächlich wohnten auf der Kiefernstraße aber Menschen, die „einfach anders leben wollen und genauso Menschen, die aktiven Widerstand gegen Umweltzerstörung, Faschismus, die Verelendung der Dritten Welt führen, und zwar eigenständig, parteilos, außerparlamentarisch“. Zur Verlesung der Anklageschrift kam es bis Redaktionsschluß nicht.