Horten-Betriebsrat verläßt Gewerkschafts-Linie

■ Nach der Regelung um den heutigen langen Samstag wackelt der Stuhl des Horten-Betriebsratsvorsitzenden

Die Auseinandersetzungen um den heutigen langen Samstag versprechen ein Nachspiel. Während viele Geschäfte in der Innenstadt morgen bis 17 oder 18 Uhr geöffnet haben und dafür am letzten langen Samstag im Dezember bereits um 14 Uhr schließen, andere morgen mittag bereits dicht machen, weil die Geschäftsleitung unbedingt am 23. Dezember bis 18 Uhr die Kassen klingeln lassen will, haben sich Geschäftsleitung und Betriebsrat bei Horten darauf geeinigt, sowohl morgen nachmittag als auch am Tag vor Weihnachten zu öffnen. Zum Ärger der Beschäftigten und zum Verdruß der anderen HBV-Betriebsräte.

Denn nach der Aufhebung des Ladenschlußgesetzes durch den Senat, der damit den angereisten BesucherInnen aus der DDR Gelegenheit geben möchte, mit Zeit und Herzenslust einkaufen zu gehen, hatten sich die Einzelhandelsfunktionäre der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) darauf verständigt, keinem zusätzlichen langen Samstag zuzustimmen. Um den Einkaufswünschen der DDR-BürgerInnen entgegenzukommen und gleichzeitig die Bedürfnisse der VerkäuferInnnen zu berücksichtigen, hatten die einzelnen Gewerkschafts -Funktionäre sich auf diese HBV-Kompromißlinie verständigt. Bei Karstadt führte diese Haltung des Betriebsrates zum Scheitern der Verhandlungen. Die Geschäftsleitung bestand auf dem langen Samstag vor Weihnachten. Der Betriebsrat lehnte daraufhin den Antrag auf Mehrarbeit für den heutigen Tag ab. Die Türen bei Karstadt werden folglich um 14 Uhr geschlossen, wie bei Wertkauf, Kaufhalle, Kafu und Realkauf auch. Die gewerkschaftliche Einheitsfront aber hielt nicht lange: Ohne die eigenen Belegschaft nochmals zu konsultieren, fiel der Horten-Betriebsrat am Donnerstag vormittag in den Verhandlungen mit der Geschäftsleitung um. Dort soll nun jede(r) Beschäftigte zum Ausgleich ganz individuell an einem der kommenden langen Samstage schon um 14 Uhr nach Hause gehen dürfen.

Eine Regelung, die den Stuhl des Horten -Betriebsratsvorsitzenden Heinz Lienkamp schnell zum Schleudersitz machen könnte. In den Verkaufsabteilungen wußten die Angestellten gestern nachmittag zwar, daß heute drei Stunden länger gearbeitet werden solle, nicht jedoch, was die Geschäftsleitung ihnen dafür an Gegenleistung eingeräumt hatte. „Wir sind hier alle dagegen“, beschrieben Beschäftigte des Kaufhauses ihre Stimmung und das schlechte Verhältnis zu den gewählten Vertretern: „Die Rechnung kriegt der Betriebsrat bei den nächsten Wahlen“. In der HBV mehren sich die Stimmen, die einen vorzeitigen Rücktritt von Lienkamp fordern. Schon beim Streit um den Dienstleistungsabend hatte der Gewerkschafter sich den Zorn der eigenen Genossen zugezogen, als er nur wenige Tage nach einer Belegschaftsumfrage gegen 82 Prozent der Befragten der Öffnung am Donnerstag abend den Weg bahnte.

Auch innerhalb des Betriebsrates war die Zustimmung zur heutigen Arbeitszeitverlängerung heftig umstritten. Ausgelöst durch das offenherzige Eingeständnis der Horten -Geschäftsleitung, daß die DDR-Bürger dabei „überhaupt keine Rolle spielen“, wie sich ein Betriebsrats-Mitglied im Nachhinein erinnert, sondern „knallhartes Vorweihnachtsgeschäft“ angesagt ist, wollte eine Minderheit der Belegschafts-Vertreter die Öffnung ablehnen. Um die Konflikte um die von Belegschaft und Ortsverwaltung ungeliebte Betriebsrats-Spitze aus dem Wege zu räumen, wird nun eine Änderung des Wahlmodus erwogen.

Wenn im März nächsten Jahres die künftige Interessensvertretung gekürt wird, soll nicht mehr über Personen sondern nach Listen gewählt werden. Auf diese Weise erhofft sich die HBV mehr Einfluß auf die Zusammensetzung des Betriebsrates.

anh

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