„Wer unten ist, bleibt unten“

■ AK Wohnungsnot fordert radikale Schritte gegen Obdachlosigkeit / Beratungsstellen planen Aktionstag

Nachdem die Verhandlungen mit den gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften über die Vermittlung von 240 Wohnungen vorerst gescheitert sind (die taz berichtete), will der Arbeitskreis Wohnungsnot nun mit seinen Forderungen vor das Rathaus Schöneberg gehen. Für den 13. Dezember ist ein Aktionstag geplant, an dem sich sowohl die Mitarbeiter zahlreicher Beratungs- und Betreuungsstellen sowie Wohnungslose selbst beteiligen wollen. Während die Wohnungsbaugesellschaften die angebotene Vermittlung von 240 Wohnungen nach Auskunft der GSW weiterhin aufrechterhalten wollen, lehnen die im Arbeitskreis vertretenen Gruppen weitere Verhandlungen ab. Sie wollen und können weder die von den Gesellschaften geforderten finanziellen Garantien übernehmen, noch sich zu einer „Betreuung“ der potentiellen MieterInnen verpflichten lassen. Dadurch wollten die Wohnungsbaugesellschaften verhindert wissen, daß die Nachbarn gestört werden.

Letztlich geht es bei dem Konflikt jedoch um mehr als die Angst des Eigentümers vor Mietrückständen oder Mißstimmung bei den Nachbarn: zur Disposition steht das Belegungsmonopol der Wohnungsbaugesellschaften. Noch im Winter 1988 hatte der alte Senat mit den Gesellschaften einen Kooperationsvertrag abgeschlossen, worin sich diese verpflichteten, 3.500 Wohnungen an Bewerber mit WBS mit Dringlichkeit zu vergeben. Dafür verzichtete der Senat auf sein Belegungsrecht für Sozialwohnungen. Nach Ansicht von Rainer Sauter vom Verein SO36, ebenfalls Mitglied im AK, ist das ein unhaltbarer Zustand, denn „die Gesellschaften entscheiden jetzt, wer wohnfähig ist und wer nicht“. Er gesteht den „Gemeinnützigen“ zwar zu, daß die „hier nicht den großen Reibach machen“, doch wer durch Vorstrafen, Drogenprobleme oder Obdachlosigkeit stigmatisiert ist, bleibt meist da, wo er war: auf der Straße.

Den Kooperationsvertrag sähe Annette Plobner von der „Freien Straffälligenhilfe“ deshalb am liebsten abgeschafft. Sie stellt sich radikalere Schritte vor: alle freiwerdenden Wohnungen aus dem öffentlich geförderten Wohnungsbau sollten in Zukunft nur noch an Bewerber vermietet werden, die einen WBS mit Dringlichkeit vorweisen können. Mit einem ähnlichen Vorschlag war bereits im Juni der sozialpolitische Sprecher der AL-Fraktion, Michael Haberkorn, an die Öffentlichkeit gegangen: die Sozialbindung des Eigentums wörtlich nehmend, hatte er das Abgeordnetenhaus aufgefordert, von seinem Recht auf Zwangsbelegung von Sozialwohnungen Gebrauch zu machen und frei werdende Wohnungen nur noch an Wohnungslose zu vergeben - egal ob Aus- und Übersiedler, Obdachlose oder Menschen in Notlagen. Die Idee hat bislang wenig Gegenliebe gefunden. Angesichts der katastrophalen Situation befürchtet Rainer Sauter vom Verein SO36, werden die Betroffenen wie letztes Jahr zu drastischeren Aktionen greifen müssen. „Öffentliche Räume, zum Beispiel Rathäuser, belegen.“

anb