Prager KP weicht dem Druck der Straße

■ Parteiführung zurückgetreten: KP-Chef der CSSR Milos Jakes, Sekretariat des ZK der Partei und Politbüro beugen sich den Forderungen der DemonstrantInnen / In Prag feiern 300.000 früheren Parteichef Dubcek / Selbstmordversuch des Verteidigungsministers

Berlin (ap/afp/dpa/taz) - Der tschechoslowakische KP-Chef Milos Jakes, das Präsidium seiner Partei (Politbüro) und das Sekretariat des Zentralkomitees der Partei sind am Freitag abend geschlossen zurückgetreten. Das meldete die Prager Nachrichtenagentur 'ctk‘. Der seit 1987 amtierenden 67jährigen Parteichefs Milos Jakes war einer der Protagonisten bei der Niederschlagung des Prager Frühlings von 1968. Er hatte vor seinem Rücktritt auf der außerordentlichen ZK-Tagung noch eingeräumt, daß die Partei Reformen nicht rasch genug in Angriff genommen und die Auswirkungen der Demokratisierungen in Osteuropa unterschätzt habe.

Bereits am späten Nachmittag hatte Alexander Dubcek, der Parteichef von 1968 und Reformkommunist, auf dem Wenzelsplatz der Hauptstadt gesprochen. Er rief Armee und Polizei auf, die Waffen nicht gegen das Volk zu richten. Wörtlich sagte er in einer fünfminütigen Ansprache: „Das Ideal des Sozialismus mit einem menschlichen Antlitz ist in den Lebensverhältnissen einer neuen Generation lebendig.“ Unter dem Jubel der Menge, die „Dubcek, Dubcek!“ und „Lang lebe Dubcek!“ rief, erklärte er weiter: „Wir müssen uns vereinigen, um unser Land auf ein höheres Niveau zu heben.“ An die Demonstranten appellierte er, „extremistische Richtungen zu vermeiden“. Anschließend sprach der Bürgerrechtler und Schriftsteller Vaclav Havel, der zuvor in der schwedischen Botschaft vom Stockholmer Außenminister Sten Andersson den Olof-Palme-Gedächtnispreis erhalten hatte. Er sagte, das neugegründete Bürgerforum sei bereit, mit den Behörden auf einem anderen Weg als über die Straße zu verhandeln. „Aber es liegt nicht an uns, sondern bei ihnen, ob sich Demokratie aus der erregten Atmosphäre dieses Platzes erheben wird. Sie sind am Zuge, nicht wir.“ Beim Empfang des Menschenrechtspreises hatte Havel offenbar in Anspielung auf die seit Niederschlagung des Prager Frühlings in seinem Land stationierten sowjetischen Truppen gesagt: „Wir sind de facto ein besetztes Land.“ Bereits am Donnerstag hatte der sowjetische Verteidigungsminister, Dmitri Jasow, erklärt, die Anwesenheit sowjetischer Truppen in der CSSR „bedeutet nicht, daß sie für die Lösung innerer Fragen bestimmt sind“. In der Moskauer Parteizeitung 'Prawda‘ wurde gestern Verständnis für die Kundgebungen gezeigt. In der CSSR sei es zu einer Vertrauenskrise gekommen, weil „Worte und Entscheidungen, die nicht immer ausgeführt wurden“, Unzufriedenheit erzeugt hätten. Zu den Massenprotesten sei es nicht nur „durch das Wirken subversiver westlicher Zentren“ gekommen. Ursächlich seien ebenso „die eigenen angehäuften Probleme“.

Als möglicher Nachfolger wird der amtierende Ministerpräsident Ladislav Adamec genannt, der in den letzten Tagen gegen den Widerstand von Jakes Verhandlungen mit der Opposition, mit dem Bürgerforum, aufgenommen hatte. Ein weiterer Kandidat könnte der Parteichef von Böhmen und Mähren, Karel Urbanek aus Brno, sein. Chancen werden auch dem Prager Parteichef Miroslav Stepan eingeräumt, den die Studenten zwar als einen der Hauptverantwortlichen für den Polizeieinsatz am Freitag voriger Woche brandmarken, der als 44jähriger jedoch mit der „Normalisierungsära“ nach 1968 nichts zu tun hat und damit die Gnade der späten Geburt genießt. Dagegen hat Verteidigungsminister Milan Vaclavic am Freitag vormittag versucht, sich mit Tabletten das Leben zu nehmen. Am Donnerstag hatte er vor „antisozialistischen Kräften“ gewarnt.

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