Wie weiter?

■ 'Für Dich'-Chefredakteurin Frieda Jetzschmann antwortet:

Tagtäglich erreichen uns Ihre Briefe, in denen Sie, liebe Leserinnen und Leser, fragen: Wie weiter mit der 'Für Dich‘?

Gemeint ist natürlich zuallererst, was alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zeitschrift seit Wochen diskutieren und begonnen haben zu praktizieren: realistisch über unser Leben schreiben, ehrlich, ohne etwas zu verschönen oder zu verschweigen. Zu streiten, wo es Streitbares gibt, zu fordern, wo es gilt, alte Fragen neu zu beantworten und neue Fragen zu stellen.

Wir wollen uns nicht berufen auf Zwänge, in die uns Ministerien brachten, auf Türen, die uns Partei- und Wirtschaftsfunktionäre nicht aufmachten, auf Informationen, die uns nicht gegeben wurden. Wir wollen uns nicht berufen auf die Tabus in der Politik, die auch die Tabus der Medien waren. Wir freuen uns, daß die Tabus verschwinden, und die öffentliche Kritik an den Medien ist ein solch gefallenes Tabu.

Wir bekennen uns zu unseren Fehlern - und wir meinen, daß das Bekennen die erste Voraussetzung für eine gute, ehrliche Arbeit ist, auch für eine sehr engagierte und couragierte im Sinne einer öffentlichen Kontrolle. Einige von vielen Stichworten dafür sind demokratische Entscheidungen in Politik, Staat und Wirtschaft, der Handel, überhaupt das Warenangebot, insbesondere die schlechte Konfektion, Erziehungsprinzipien in der Schule, mangelnde Dienstleistungen, der Zustand unserer Innenstädte, Berufsverkehr und anderes mehr.

(...)Nein, Angst vor dem Risiko haben wir nicht. Wir wollen! Wir wollen uns einbringen und zugleich für Sie, liebe Leserinnen und Leser, in Wort und Tat demokratisches Forum sein.

Natürlich liegen uns die Interessen der Frauen besonders am Herzen. Wir haben in der DDR eine Aufbruchsituation. Jeder meldet seine Sichten, Wünsche und Forderungen an. Das ist wichtig. Wir wollen aufgreifen, was ein Mann, Bernd Hamann, vor Zehntausenden beim ersten Berliner Sonntagsgespräch fordert: „Gebt den Frauen eine Chance!“ Ja, gebt den Frauen eine Chance, damit sie, wie es in solchen Aufbruchssituationen auch geschehen kann, auf dem Wege zur Gleichberechtigung nicht zurückbleiben, sondern im Gegenteil, weiter vorankommen. Wir haben durch das Schlagwort von der verwirklichten Gleichberechtigung der Frau in der Vergangenheit Widersprüche verschönt, zugedeckt oder gar nicht erst zur Kenntnis genommen. (...)

Wir meinen, daß die Zeit der Appelle vorbei sein muß und wir handfeste Festlegungen brauchen. Das sind Probleme, denen sich nicht nur die Parteien in unserem Lande, der DFD und die Gewerkschaft mit ihren Frauenkommissionen stellen müssen. Da gilt es auch zu überlegen, ob wir ein entsprechendes Ministerium brauchen. Darüber und über vieles andere mehr wollen wir mit Ihnen ins Gespräch kommen. Offen und öffentlich. Realistisch und mit konkreten Forderungen. Wir wissen, das ist von uns unter Beweis zu stellen.

gekürzt aus: 'Für Dich‘, 46/89