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Eine kurze Chance für die Diplomatie

Der salvadorianische Präsient Cristiani weist das Waffenstillstandsangebot der FMLN zurück / Luftwaffenchef Bustillo hält das Angebot der FMLN für eine Finte und fordert, die Guerilla auszumerzen / Sicherheitskräfte durchsuchen Kirchen nach verletzten Guerilleros  ■  Aus San Salvador Ralf Leonhard

Die riesige A-130-Militärmaschine mit der US-Fahne am Heck, die auf dem internationalen Flughafen Comalapa steht, verheißt nichts Gutes. In den letzten Tagen sind mehrere Flugzeugladungen mit Munition und Ersatzteilen aus den USA eingetroffen und mindestens 200 Mann US-Truppen. Die Soldaten sollen allerdings schon wieder abgezogen worden sein. Unter ihnen war auch die schnelle Eingreiftruppe „Delta-Force“, die am Dienstag drauf und dran war, das von einem FMLN-Kommando besetzte Sheraton-Hotel zu stürmen. Der Vermittlung der katholischen Kirche und des Roten Kreuz ist es Linie zu verdanken, daß der Einsatz von US-Kampftruppen in El Salvador noch einmal verhindert werden konnte.

Die Kirche hat auch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Regierung Cristiani und die FMLN wieder an einen Verhandlungstisch zu bringen. Bischof Stehle hat mit dem Auftrag des Staatschefs Kontakte mit dem Oberkommando aufgenommen, das einen international überwachten Waffenstillstand angeboten hat. Cristiani wies den FMLN -Vorschlag zurück und erklärte, er wolle nur über die endgültige Beendigung der Feindseligkeiten verhandeln. Die Pressekonferenz, auf der Cristiani die Offensive der FMLN für niedergeschlagen erklärte, wurde unterbrochen, als in der Nähe zwei Bomben explodierten.

Die Guerillaoffensive hat jedoch den rechtsextremen Flügel innerhalb der Armee gestärkt, der sich jeder politischen Lösung widersetzt. Für Luftwaffenchef General Bustillo ist der Dialog „eine Finte der Terroristen“. Er hat sich öffentlich dafür ausgesprochen, die FMLN-Kämpfer „auszumerzen“. Bustillo ist der Verantwortliche für die Bombardements der Zivilbevölkerung. Am Donnerstag beschossen Kampfflugzeuge und Hubschrauber neuerlich Stadtteile von San Salvador. Die Stützpunkte der Guerilla am Vulkan San Salvador griff die Luftwaffe mit Bomben an. Die Luftunterstützung ermöglichte es den Bodentruppen letzte Woche, einzelne Bezirke zurückzuerobern. Wie hilflos die Infanterie ohne Hilfe aus der Luft ist, zeigte sich am Dienstag im Nobelviertel Escalon, wo die Luftwaffe nicht zu bombardieren wagte. Die Soldaten konnten dort von einigen wenigen Scharfschützen den ganzen Tag in Schach gehalten werden. Deswegen wird die FMLN vermutlich versuchen, durch Sabotageaktionen im Militärflughafen Ilopango die Kampfkraft der Luftwaffe zu vermindern.

Die Armee muß sich von der FMLN die Bedingungen des Kampfes diktieren lassen. Die Guerilla bestimmt, wann und wo gekämpft wird. Militärische Vergeltungsaktionen richten sich deshalb in erster Linie gegen zivile Gruppen, die verdächtigt werden, mit der FMLN zu kollaborieren. In den vergangenen Tagen haben die Sicherheitskräfte eine Reihe von Kirchen nach verletzten Guerilleros durchsucht. Dutzende Personen wurden dabei ohne konkrete Anschuldigung festgenommen, mehrere Ausländer des Landes verwiesen. Der Bischof der Lutheranerkirche, Medardo Gomez, ist nach ernstzunehmenden Todesdrohungen untergetaucht. Selbst die Christdemokraten, die sich weigerten, einen Aufruf der Rechtsparteien zur Unterstützung der Armee mitzutragen, sind vor Repressionen nicht sicher. Von Mittwoch auf Donnerstag drangen Unbekannte in das von der Konrad-Adenauer-Stiftung finanzierte „Zentrum für technologische und Wissenschaftliche Forschungen“ (Cenitec) der Christdemokraten ein und verwüsteten das Büro.

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