Volkspolizist muß in den Knast

■ Der Angeklagte hatte einen festgenommenen Demonstranten die Treppe hinuntergestoßen / Vierzehn Monate und Schadensersatz / Anwesende Vopos sprechen von „Schauprozeß“

Ost-Berlin (taz) - Vor dem Stadtbezirksgericht Prenzlauer Berg in Ost-Berlin ging gestern der erste Prozeß in der DDR im Zusammenhang mit den Polizeiübergriffen vom 7. und 8. Oktober zu Ende. Ein 41jähriger mittlerweile aus dem Dienst entlassener Volkspolizist, der die Mißhandlung eines Festgenommenen gestanden hatte, wurde zu einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsentzug verurteilt und muß an den Geschädigten sowie die Krankenversicherung Schadensersatz zahlen. Der Staatsanwalt dagegen wollte den Angeklagten für zwei Jahre im Knast sehen.

Der Vopo hatte einen festgenommenen Mann im „Gewahrsamraum“ der Volkspolizei im Bezirk Prenzlauer Berg eine Treppe hinabgestoßen. Der hatte sich dabei eine Fersenbeinfraktur zugezogen und mußte im Krankenhaus stationär behandelt werden. Das Gericht hielt den Angeklagten der schweren Körperverletzung für schuldig, vertrat allerdings die Ansicht, daß nicht ein heftiger Stoß, sondern „ein Schupsen“ zum Sturz des Geschädigten geführt habe. Günstig wirkte sich im Strafmaß auch aus, daß der Angeklagte die Tat zugegeben hatte, obwohl der Geschädigte nicht wußte, von wem er den Stoß bekommen hatte. Das Gericht glaubte dem Angeklagten auch, daß er die Folgen der Tat nicht überblickt habe und daß sie im Gegensatz zu seinem Persönlichkeitsbild stehe. Zahlreiche Vopos, die den Prozeß als Zuschauer verfolgt hatten, bekundeten großen Unmut über das Urteil und bedachten die Pressevertreter mit Zurufen wie: „Da hattet ihr ja euren Schauprozeß.“ Angeklagter und Staatsanwalt können binnen sieben Tagen gegen das Urteil Protest, bzw. Berufung einlegen. Die Höhe des Schadensersatzes wird von einer Zivilkammer festgelegt.

plu