Zum Üben leise vor sich hin sprechen

■ taz-Reporterin machte einen Memory-Selbstversuch / Der Vertreter einer bekannten Berliner Rundfunkanstalt unterlag haushoch 1:6

Um ein adäquates und kompetentes Bild über die Geheimnisse des Memory-Spielens bieten zu können, stürzte ich mich in meiner Eigenschaft als taz-Reporterin tolldreist in den Memory-Selbstversuch, hatte doch das monotone Klappen der Kärtchen um mich herum mir die Sinne vernebelt. Das Kindheitstrauma der ewig siegreichen älteren Schwester war bereits der Verdrängung anheim gefallen, so daß ich die Herausforderung des Mitarbeiters einer bekannten Berliner Rundfunkanstalt ohne zu zaudern annahm. Das Experiment verlief - in aller Bescheidenheit sei's erwähnt - mit einer Bilanz von 6:1-Siegen durchaus erfolgreich.

Doch nun zu den geheimen Tücken des Spiels: Unerklärbar, doch nicht zu leugnen, bleibt die unwiderstehliche Anziehungskraft einzelner Kärtchen; bis zu fünfzehnmal muß man sie umdrehen, stets begleitet von des Gegners lakonischem „Mensch, das ist doch der Fisch“. Mit wachsender Ungläubigkeit betrachtet man die ewige Wiederkehr des Fisches, bis die gequälte Seele, ganz am Ende des Spiels, die Entdeckung des zweiten - direkt daneben liegenden Fisches dem Gegner überlassen muß, der sich das Pärchen mit boshaftem Grinsen einverleibt.

Überhaupt sind die im Spiel freiwerdenden Emotionen bemerkenswert: Sie reichen von der erwähnten Boshaftigkeit über Wut und Verblüffung bis hin zu grenzenloser Bewunderung für den Gegner, wann immer er ein Paar umdeckt, welches man nicht im entferntesten an selbiger Stelle vermutet hätte. Nicht zu verheimlichen seien auch die Triumphgefühle über den wider Erwarten errungenen Sieg und das vom Gegner durch die Zähne gepreßte „Du bist einfach besser“, das einem die erlittenen Qualen entschädigt und auf jeden Fall ein „Du warst ja auch nicht schlecht“ verdient.

Eine weitere Tücke ist die Ähnlichkeit des Hundes mit der Katze, vierbeinig alle beide und braun gefleckt auf gelbem Hintergrund. Sagt ein achtjähriger Memory-Profi: „Das sieht doch ein Blinder, daß die beiden unterschiedlich sind“, doch ich bin nicht blind, und darum sah ich's nicht; deckte mit sicherem Instinkt die Katze mit dem Hund und den Hund mit der Katze zusammen um, jedesmal aufs Neue verblüfft und den Gegner des heimtückischen Betruges verdächtigend.

Zur Vermeidung unheilvoller Verwechslungen empfiehlt sich ein leises Vor-Sich-Hinsprechen beim Umdrehen der Kärtchen: „Apfel mit Made, Apfel ohne Made...“, doch hilft dies nur begrenzt dem verkalkten Gedächtnis auf die Sprünge. Was uns fehlt, ist der kindliche Blick für das winzige Detail, der doch so elementar wichtig ist: Könnte doch die Verwechslung eines Apfels mit Made mit einem Apfel ohne Made durchaus unappetitliche Folgen haben.

danni