Kaltblütige Kids, unauffällige Profis

■ „Unmenschliche Konzentration“ auf der Memory-Meisterschaft / Kärtchenumdrehen als Gedächtnissport / Zwei unter den ersten Zehn nicht älter als zehn Jahre / Profis brauchen rund 20 Züge weniger als Laien / Ein Jahr Zeit zum Üben für die nächste Meisterschaft

Ein Staubkorn Geduld mußte übrig haben, wer sich der Memory -Meisterschaft von Berlin stellte, denn : 26,222 Sekuenden vergingen zwischen dem Startschuß und der Kür von Kerstin Manske zur stolzen Siegerin, die jetzt auf Platz eins der ewigen Memory-Weltrangliste vorgerückt ist. 72 Teilnehmer bestritten jeweils elf Spiele, zwischen denen ihnen eine je zehnminütige Pause vergönnt war.

So manche Gehirnzelle brach wegen Überarbeitung zusammen, eine „unmenschliche Konzentration“ nannte die Siegerin als Ursache ihres Erfolgs. Bitter getäuscht hatten sich jene Erwachsenen, die da glaubten, ein leichtes Spiel gegen die Kinder zu haben; zwei der unter den ersten zehn Plazierten waren nicht älter als zehn Jahre. Kaltblütig eleminierte der neunjährige Marcel all jene, die sich ihm auf seinem Weg zum 14. Platz in den Weg stellten. Der späteren Siegerin zwang er in der Vorrunde ein Unentschieden auf. „Ich hab‘ ja auch schon mit drei Jahren angefangen“, begründet Marcel seinen Erfolg und erwähnt noch nebenbei: „Zu Hause gewinne meistens ich, eigentlich fast immer.“ „Na, na...“, protestiert da schwach seine Mutter.

Auch Detlef, der zufällig in seiner Stammkneipe vorbeigekommen war, nicht ahnend, was gespielt wurde, erlag dem Memory-Fieber. Noch schnell in die Teilnehmerliste aufgenommen, kam er nach gutem Beginn schnell zu der Erkenntnis: „Ich hab‘ einfach keine Chance gegen die sechsjährigen Profis.“ Anders der 19jährige Hubert, der eine unauffälligere Memory-Karriere hinter sich hatte und „völlig unerwartet“ im Finale landete. „Nur Glück“ war seine Erklärung für den Erfolg. Doch System gehörte auch dazu: „Drei Fixpunkte merke ich mir, die variieren von Spiel zu Spiel. Jede umgedrehte Karte lasse ich mir zweimal durch den Kopf gehen. Außerdem darf man nicht an die vorangegangenen Spiele denken. Ich setz‘ mich hin und bin ruhig, dann geht das.“

Ruhig war es im Publikum, das gebannt die Entscheidungsschlacht zwischen Hubert und Kerstin verfolgte. Nur hin und wieder war ein leise „Oh nein!“ des einen oder anderen zu hören, wann immer ein vermeidbarer Fehler die Nerven strapazierte. Daß es am Ende doch nicht nur Glück ist, zeigt eine einfache Bilanz: 63 Züge genügten den Finalteilnehmern bis zum Abräumen der letzten Karte; über 20 Züge mehr benötigt der Ungeübte, wie der Selbstversuch ergab.

Ein Jahr Zeit bleibt den Teilnehmern in spe, um das Gedächtnis in Schwung zu bringen und sich am nächsten Bußtag der Memory-Konkurrenz von Berlin zu stellen. Gorbatschow -Poster, Alf-Briefpapier, Schlümpfe und viele andere Preise winken. Für die drei Bestplazierten locken Geldpreise und Pokale. Doch wisse, die Konkurrenz schläft nicht und memoria minutur, nisi eam exerceas (das Gedächtnis nimmt ab, wenn du es nicht übst)!

Informationen und Erstellung von Trainingsplänen bei Erik Ecker, Tel.: 891 71 15.

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