Zerstückelte Schweineschwänze

■ Frauenpower auf dem Kudamm beim internationalen Aktionstag gegen Sextourismus und Frauenhandel

Schweineschwänze prangen zerstückelt und auf Draht gezogen an der Haustür. Daran aufgespießt hängt ein Flugblatt gegen Sextourismus und Frauenhandel. Hinter der Tür unterhält ein Heiratsvermittler sein Büro. Sein Geschäft laut Eigenwerbung: „Kontinentale Heiratsbekanntschaften mit Garantie. Weltweite Spezialvermittlung von Damen jeden Alters z.B. Asien (Philippinen), Osteuropa (Polen)“. Den Denkzettel verpaßte ihm am Samstag eine Gruppe johlender und pfeifender Frauen, um zum „Internationalen Frauenwiderstandstag“ gegen das Geschäft mit der Prostitution und dem Frauenhandel zu protestieren. Nicht nur bei Heiratshändlern, auch beim Konsulat von Malaysia und verschiedenen großen Reisebüros, die Flüge zu den Sextouristikzentren in Afrika, Asien und Südamerika anbieten, machten sie Krach. Als eine Handvoll Frauen in der Reiseagentur eines großen Kaufhauses eine Theaterszene spielen wollten, schlug der Hausdetektiv Alarm. Fünf Frauen wurden von der Polizei festgenommen, kurze Zeit später jedoch wieder freigelassen.

Ausgedacht hatte die Regeln für die „Stadtspiel„-Aktionen ein Arbeitskreis von Frauen verschiedener Beratungsstellen, Zufluchtswohnungen und autonomer Gruppen. Als im Frühjahr die Ausstellung „Frau als Ware“ in der Fabrik an der Osloer Straße gezeigt wurde, entschlossen sie sich, eine Kundgebung zum 25.November zu organisieren. Diesen Tag hatte die philippinische Frauenorganisation Gabriela im vergangenen Jahr erstmals zum internationalen Aktionstag erklärt.

Im Anschluß an das „Stadtspiel“ trafen sich mitten im größten Einkaufsrummel am Kranzlereck rund 250 Frauen zu einer Kundgebung. Auch in West-Berlin, so eine Rednerin, machten viele große Reisebüros, aber auch alternative Reiseläden mehr oder weniger unverhohlen in ihren Prospekten Werbung mit Klischees von unterwürfigen, anschmiegsamen Asiatinnen, rassigen Südamerikanerinnen und exotischen Afrikanerinnen. Der Sextourismus komme den Frauenhändlerringen zugute, weil er bei Männern das Bedürfnis wecke, auch zu Hause ständig eine - noch dazu sprach- und hilflose - Frau zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse verfügbar zu haben. „Motive“ insgesamt - darauf wurde immer wieder hingewiesen - die ihre Entsprechung hierzulande auch in Vergewaltigungen und Unterdrückung von Frauen finden. Die verschleppten Frauen lebten häufig illegal und in völliger Abhängigkeit hier. Eine „gekaufte“ Ehefrau hat kein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Läßt sich ihr Käufer von ihr scheiden, wird sie abgeschoben. Am Ende der Veranstaltung bedeckten Tausende von bunten Papierfetzen den Platz: Werbeprospekte der Reiseveranstalter, von Frauen zerrissen, die dem Geschäft mit dem Sextourismus den Kampf angesagt haben.

Ute Bertrand