Keine Trabantenstadt für GTI-Fahrer

■ Zum erstenmal seit Jahrzehnten trafen sich Stadtplaner aus Ost- und West-Berlin / Trotz Zusammenarbeit in alltäglichen Projekten soll weiter von einer „Doppelstadt“ ausgegangen werden / Potsdam lehnt West-Berliner Gedankenspiele für eine Wohnstadt auf DDR-Gebiet ab

Ein Ostberliner Planer sprach von einer „historischen Stunde“, und die Räume in der Westberliner Jebensstraße konnten die über 200 Besucher kaum fassen, als sich am Samstag erstmals seit Jahrzehnten Stadtplaner aus West -Berlin ganz offiziell mit Kollegen aus Ost-Berlin und dem Umland trafen. Umwelt- und Stadtentwicklungssenatorin Schreyer hatte kurzfristig eingeladen, nachdem die Stadtplaner aus Ost-Berlin das Plazet ihres Bürgermeisters Krack erhalten hatten.

„Ungeheuren Diskussionsbedarf“ konstatierte Schreyers Sprecher Rogalla nach dem Meeting. Die meisten Redner hätten darauf gepocht, sich „schrittweise“ einer abgestimmten Stadtplanung zu nähern. Joachim Fels von der Bauakademie in Ost-Berlin machte klar, worum es ginge: Den Alltag zu bewältigen und Projekte zu stoppen, die die Trennung der Stadt zementieren könnten - und trotzdem vom Weiterbestehen einer „Doppelstadt“ auszugehen.

Eine Absage aus Potsdam gab es für Westberliner Gedankenspiele, außerhalb der Stadtgrenzen Trabantenstädte für Westler hochzuziehen. Mit 150.000 Einwohnern und zahllosen Touristen sei die Infrastruktur der Havelstadt erschöpft, warnte der stellvertretende Potsdamer Stadtarchitekt Globisch. Er bremste auch Westberliner Datschenträume: Die Potsdamer Seenkette sei auch das Ausflugsgebiet für Hallenser und Leipziger, die dem Industriedreck der sächsischen Heimat entfliehen wollten. Ginge es um neue Trabantenstädte, müsse eher an den Raum Oranienburg im Norden gedacht werden - diesen Schluß zog gestern Schreyers Abteilungsleiter Karlheinz Wuthe auf taz -Anfrage. Bescheidener blieben die Ostberliner Planer: Sie verzichteten weise darauf, den Westberlinern Ratschläge zu geben. Und Dieter Hoffmann-Axthelm aus West-Berlin warnte in seinem Referat am Samstag grundsätzlich, das Umland zu zerstören. 40 Jahre lang sei die Westberliner Umgebung von Zersiedelung verschont geblieben; das sei, meint der freischaffende Stadtplaner, eine „einmalige Chance“, sich auch künftig auf die 1920 geschaffenen Stadtgrenzen zu beschränken.

„Noch größeres Fingerspitzengefühl“, das hat sich für Rogalla gezeigt, sei nun im zentralen Bereich rund um den Tiergarten geboten. Für dieses Areal hatte Schreyer noch vor zwei Wochen die verstärkte Ansiedlung von Bürogebäuden vorgeschlagen. Aus dem Ost-West-Meeting konnte sie die Lehre mitnehmen, den zentralen Bereich „nicht vorschnell zuzubauen“. Zunächst vordringlich, auch nach Meinung der Ostberliner, ist ein koordinierter Ausbau des Bahnnetzes. Rogalla hörte einen „Quasi-Konsens“ heraus, den kompletten S -Bahn-Ring rasch in Betrieb zu nehmen. Für die Ostberliner sei die U-Bahn-Verbindung zwischen Gleisdreieck und Otto -Grotewohl-Straße entscheidend, meinte Schreyers Abteilungsleiter Wuthe gestern. Hier pendelten bis zum Mauerbau die Züge zwischen Krumme Lanke und Pankow über die Grenze. Die Eisenbahnnetze, die auf beiden Seiten der Mauer Jahrzehnte lang vernachlässigt wurden, dürften nicht vergessen werden; darauf legte der Westberliner Stadtplaner Eichstädt in seinem Referat am Samstag Wert.

Schreyer will aus solchen Gesprächen nun eine ständige Einrichtung machen und Ostplaner Fels hoffte für auf eine „tätige Zusammenarbeit“ in Gesprächen und „auch am Zeichenbrett“. Wuthe, der seit Jahren Kontakte zu den Kollegen drüben pflegt, will sich nun mit Günther Stahns treffen, dem Leiter des Büros für Städtebau im Ostberliner Magistrat. Ob SED-Genossen wie Stahns, der die Ostberliner Delegation leitete, ihr Amt noch lange versehen werden, ist freilich offen. Darauf machte die Planerin Carla Nier vorsichtig aufmerksam, die der DDR-Initiativenszene nahesteht. Hohe Bürokraten, egal ob Ost oder West, kümmern sich freilich wenig um Parteiabzeichen - meint Hoffmann -Axthelm, der am Samstag schon zusah, wie sich die Behördenleute verschwörerisch zublinzelten.

hmt