Spätes Schichtende

Alle Tickets verkauft? Dann kann Graf aufhören  ■  P R E S S - S C H L A G

Wenn Tiriac zu seinen Sausen einlädt, dann pflegen sie alle zu kommen. Und sie kommen weder vergeblich noch umsonst. Denn der Tiriac gilt als der wahre Menschenfreund seines Metiers: Also hat er sich auch in Essen erbarmt, dort schloß die einzige noch vorhandene Marktlücke des Tennisbusineß.

Er gab dort ein Damentennisturnier, die weltbesten Spielerinnen und freigiebigsten Sponsoren sollten auftanzen

-wie üblich zum Behufe der interessenidentischen Organisation von goldenen Nasen bei allen Teilnehmenden. Weil dazu aber die Toren genasführt werden müssen, sülzt der Tiriac, daß er das Turnier veranstalte, weil „mir Damentennis aus meiner eigenen aktiven Zeit sehr wohl vertaut ist. Schließlich habe ich an die 50 Turniere im Mixed gewonnen.“

Nokia Masters“ heißt das neue Stück, klangschön genannt nach dem finnischen Mischmasch-Konzern. Nokia ist berüchtigt für seine vergeblichen Mühen um den humanen Arbeitsplatz; die Firma verkauft die ersten farbigen („purpurrot“) PCs und als sechstgrößter Hersteller Europas die dazugehörigen Kabel zum Aufhängen. Elf Milliarden Westmark im Jahr bewegt der Konzern aus dem Land der Sauna, sagt PR-Manager Saarinnen.

Davon kann man schon einige ausgeben, etwa um sich mit insgesamt ausgesetzten 500.000 Dollar den Superlativ „höchstdotiertes Hallenturnier in Europa“ zu kaufen. Wenn dann noch vier TV-Sender aus Europa und den USA so blöde sind wie die „federführende ARD“, dann ist das Geld gut angelegt. Herr Saarinnen will auch nicht heucheln: „Sportveranstaltungen haben ein Millionenpublikum. Sie sind ein schneller Weg, einen Namen bekannt zu machen.“

Voraussetzungen dafür ist aber, daß die Staffage stimmt: Steffi gewinnt und kassiert (200.000 Dollar). Weil Fräulein Graf aber krank und ausgepowert ist, „es war halt eine harte Saison“, wurde ihre Agonie während des laufenden Turniers so lange wie möglich herausgezögert. Als dann alle Tickets für Finale zu „ausgesprochen schülerfreundlichen Preisen“ (Tiriac) übern Tresen waren, konnte sein Zugpferdchen im Alfried-Krupp-Krankenhaus ihr Schichtende verkünden.

Denn immerhin rannten noch andere, um den „Super-Event“ zu retten: Beispielsweise „die argentinische Schönheit, der immer noch die Männerwelt zu Füßen liegt. Der dunkle Teint, die braunen Rehaugen, die herrlichen schwarzen Haare“ (Ferenczy Media). Opel, Mü-Milch, Karstadt, Langnese, Nestle, Erdgas, R 6, Coke, Eurocard, vielleicht sogar Roberto Blanco und all die anderen, die sich in Essen päsentieren, dürften aber trotz Sabatinis ätherisch transzendierender Selbstliebe („Tennis ist mein Spiel, dieses Parfüm ist meine Liebe“) auf ihre Kosten gekommen sein.

In Sachen Verkaufsförderung wird das Damentennis in Zukunft boomen, bis der Court crasht: Sowieso, weil Tennis als „sehr modern, sehr spannend, exklusiv und kommunikativ“ (Marketing -Items) gilt. Auch deshalb, weil die Tennistinnen im Match nicht nur „taff“ wirken, sondern auch „süß“ (Kid-Items). Und solange Tiriac „Tennis als eine schlechthin soziale Entwicklung in Deutschland“ preist, ist der Bauchmuskelriß der einzige Ausweg.

Thomas Meiser