Bayer im Giftgas-Verdacht

Zollfahndung läßt Chemiekonzerne Bayer und Lurgi wegen der Lieferung einer Pflanzenschutzanlage an den Iran durchsuchen / Bayer: Vorwürfe sind unbegründet  ■  Von Charlotte Wiedemann

Bonn (taz) - Die Oberfinanzdirektion Köln ermittelt gegen die Bayer AG wegen des Verdachts, mit der Lieferung einer Pflanzenschutzanlage an den Iran gegen die Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts verstoßen zu habe. Im Rahmen des bereits am 22.August eingeleiteten Verfahrens wurden am 14.November die Bayer-Geschäftsräume in Leverkusen, Dormagen und Monheim von der Zollfahndung durchsucht.

Das wurde am Samstag durch einen Bericht des Kölner 'Express‘ bekannt und durch eine Stellungnahme von Bayer bestätigt. Dem 'Express‘ zufolge hat die Behörde den Verdacht, daß neben Bayer auch das Frankfurter Chemieanlagenunternehmen „Lurgi“ am Bau einer chemischen Großanlage in Ghazvin etwa 150 Kilometer westlich von Teheran beteiligt ist, in der „möglicherweise chemische Kampfstoffe hergestellt werden könnten“.

Nach Darstellung des Bayer-Konzerns handelt es sich bei der Ende 1987/Anfang 1988 gelieferten Anlage im Wert von fünf Millionen Mark nur um eine „Formulierungsanlage“ für Pflanzenschutzmittel: Dabei würden fertige Wirkstoffe mit Lösungsmitteln und Emulgatoren gemischt, um lagerstabile Konzentrate für landwirtschaftliche Zwecke zu erhalten. Eine Ausfuhrgenehmigung sei nicht erforderlich gewesen. Die Anlage soll im ersten Halbjahr 1990 in Betrieb geehen.

Während Bayer behauptet, zur Klärung des „unbegründeten“ Verdachts alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt zu haben, muß die Zollfahndung Anlaß gesehen haben, noch drei Monate nach Verfahrensbeginn die Durchsuchungen vorzunehmen. Dabei soll umfangreiches Aktenmaterial sichergestellt worden sein. Die Oberfinanzdirektion lehnte eine Stellungnahme ab; über das Verfahren soll eine „Nachrichtensperre“ verhängt worden sein.

Eine Durchsuchung fand ebenfalls bei der Chemieanlagenfirma Lurgi statt. Sie behauptet nun ihrerseits, nur als „Zeuge“ von dem Verfahren betroffen zu sein. Lurgi verhandelt nach eigenen Angaben bereits seit 1983 mit dem Iran über den Bau einer Anlage zur direkten Herstellung von Pflanzenschutzmitteln, und zwar ebenfalls im Komplex Ghazvin. Ein 1987 erteilter Consulting-Vertrag sei „zur Zeit suspendiert“, teilte Lurgi-Sprecher Schellenberg mit. Dieses Projekt spielte bereits im Januar auf einer Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses wegen der libyschen Rabta-Affäre eine Rolle. Mit der Giftgas-Affäre von Imhausen, so beschwichtigte Bayer-Sprecher Wolfgang von Loon, sei der jetzige Fall „nicht im Ansatz zu vergleichen“.