Koalitionsknatsch um DDR-Hilfe

■ FDP und SPD sind gegen Vorbedingungen bei einer Wirtschaftshilfe für die DDR / Kanzler Kohl und CDU-Geißler wollen Wirtschaftshilfe aber an „unumkehrbare politische und wirtschaftliche Reformen“ binden

Bonn (ap) - In der Bonner Koalition ist ein offener Konflikt Über die Voraussetzungen bundesdeutscher Wirtschaftshilfe für die DDR entbrannt. Außenminister Genscher warnte am Wochenende davor, der DDR Vorschriften zu machen und die eine Bevormundung durch eine andere zu ersetzen. Ähnlich äußerten sich die Vorsitzenden der FDP-Fraktionen in Bund und Ländern sowie die SPD.

Anlaß für die Mahnungen ist offenkundig die Position von Kanzler Kohl, der „Hilfe in neuer Dimension“ erst dann geben will, wenn die DDR politische und wirtschaftliche Reformen unumkehrbar gemacht hat. Er werde nicht von „Bedingungen“ sprechen, sagte Genscher, denn über die Zukunft der DDR entschieden die Bürger dort. „Ich denke, niemand sollte sich hier anmaßen, ihnen Vorschriften zu machen, wie sie ihren Weg zu nehmen haben.“ Was die Bundesrepublik allerdings anbieten könne, sei das Beispiel einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsordnung.

Auf ein schnelles Angebot an Ost-Berlin drang auch die stellvertretende Vorsitzende der Bonner SPD-Fraktion, Ingrid Matthäus-Maier. Fast wortgleich mit Genscher verwarf sie Vorbedingungen für DDR-Hilfe. Der entscheidende Unterschied zwischen Regierung und Sozialdemokraten liegt nach ihren Worten darin, daß die Sozialdemokraten meinten, die Bundesregierung müsse sofort ein Angebot machen, „ohne daß nun jeden Tag neue Vorbedingungen gestellt werden“.

Dagegen erklärte der stellvertretende CDU-Vorsitzende Heiner Geißler, Bedingungen für Bonner Hilfe seien die konsequente Weiterführung der Demokratisierung.

Zur Bonner Wirtschaftshilfe für die DDR hatte Kanzleramtsminister Rudolf Seiters am vergangenen Dienstag nach Rückkehr aus Ost-Berlin erklärt, die Bundesregierung sei zur Unterstützung in einer „neuen Dimension“ bereit. Diese könne aber nur gegeben werden, wenn „grundlegende Voraussetzungen“ erfüllt seien. Seiters nannte außer Wirtschaftsreformen ausdrücklich freie Wahlen und die Zulassung von Parteien und Wählergemeinschaften. Dieser Prozeß müsse vorher „verbindlich und unumkehrbar in Gang gesetzt“ sein. Kohl hatte zuvor betont, ohne den „Abbau bürokratischer Planwirtschaft und den Aufbau einer marktwirtschaftlichen Ordnung“ werde Wirtschaftshilfe letztlich vergeblich bleiben.