Was bitte ist Feminismus?

Auf dem „feministischen Ratschlag“ stritten sich grüne Frauen erfolglos um die „richtigen“ Definition / Bilanz nach fünf Jahren Quote: von der Hälfte der Macht kann keine Rede sein / Frauen werden vereinnahmt  ■  Aus Bonn Ulrike Helwerth

„Die Grünen sind eine stinknormale chauvinistische Partei. Es hat dort nie eine feministische Politik gegeben und wird nie eine geben“. Harte Worte von Birgit Arkenstette aus der Berliner AL. 1985 ist die Mitgründerin der grünen Bundesfrauen-AG, „ausgestiegen aus der Frauenpolitik“ nicht etwa wegen der Parteimänner, sondern nach „unangenehmen Diskussionen“ mit Frauen über ihre feministische Glaubwürdigkeit. Ausgestiegen ist auch Regina Michalik, einst im grünen Bundesvorstand, und zwar aus der Partei. Sie hat sich wieder autonomen Frauenstrukturen zugewandt, weil sie keine Lust mehr hat, Ideen und Kraft in eine Organisation zu stecken, in der feministische Politik weniger denn je zu machen sei. Die Perspektive einer rot -grünen Regierungskoalition hätten die Partei entpolitisiert und einen Anpassungsdruck erzeugt, dem auch viele Frauen zum Opfer gefallen seien.

Zwei Positionen auf einer Podiumsdiskussion zum Thema Feminismus bei den Grünen. Zum „Feministischen Ratschlag“ hatte das Bundesfrauenreferat vergangenes Wochenende nach Bonn eingeladen. „Wir haben die Hälfte der Stühle. Was fehlt noch zur Hälfte der Macht?“ Ein Rückblick auf fünf Jahre Quotierung sollte es werden. Hat die Quote die Parteistruktur verändert? Welche Auswirkungen hat sie auf feministische Politik? Warum haben so viele Frauen keine Lust mehr auf Parteiarbeit? Bezeichnend für die desolate Lage der Feministinnen: nur rund hundert Frauen interessierten sich überhaupt für diese Fragen.

Mit einer „Fest- und Schmährede“ auf die Quote eröffnete Sigrid Haase, Frauenreferentin der West-Berliner AL, die Diskussion. Ihre Bilanz: Die Quote hat die Qualität der Politik kaum verändert. Die neuen Frauen auf den Stühlen der Macht werden von den herrschenden Spielregeln vereinnahmt oder verschlissen, „die Entqualifizierung und Entpolitisierung der frauenpolitischen Aktivitäten hat ihren Lauf genommen“. „Kein Grund für Larmoyanz“ hingegen sah Verena Krieger, Sprecherin im grünen Bundesvorstand. Die „erfolgreiche“ Quote habe aber auch geschadet: nach ihrer schnellen Durchsetzung sei das „Rollback der Männer“ erfolgt. Die grünen Feministinnen müßten nun raus aus ihrer „Frauenecke“ und zu allen politischen Themen Stellung beziehen. Nur so könnten sie aus ihrer Quantität neue inhaltliche Qualität herstellen. Gisela Wülffing, Beisitzerin im Bundesvorstand, fühlte sich in der „Frauenecke“ nicht so unwohl. Frauen seien nun mal ihre politische Leidenschaft. Wenn die grünen Feministinnen ihre Zirkel verließen und anderen Frauen ihre Erfolge vermitteln würden, könnten sich auch ihre Perspektiven verändern. „Dann ist längst nicht alles so negativ, wie wir intern diskutieren.“

„Der Feminismus bei den Grünen ist zur Frauenfrage verkommen“, stellte Sigrun Klüger, Bundesfrauenreferentin, fest. Ihr Vorschlag: eine feministische Strömung innerhalb der Partei zu gründen, um endlich - über die Bundesarbeitsgemeinschaft Frauen hinaus - kontinuierliche Diskussionszusammenhänge zu schaffen. „Vielleicht können wir uns die Definitionsmacht von Feminismus zurückerobern, der überall, nicht nur bei den Grünen zu einem inflationären Begriff verkommen ist.“ Ihr Vorschlag stieß bei einigen auf Ablehnung, da frau eine weitere Fraktionierung der Partei fürchtete, war letztlich aber das einzig konkrete Angebot des „Ratschlags“. Zäh und langatmig war die Diskussion und löste sich kaum aus einer parteiinternen Auseinandersetzung um die Definition der „richtigen“ Linie. Da wurde um Begriffe wie „Frauenpolitik“ versus „feministische Politik“ gestritten. Keine konnte dabei Unterscheidungsmerkmale liefern, die alle befriedigten. Da prallten „Betonfeminismus“ auf „Postfeminismus“, ohne daß die inhaltlichen Differenzen klar benannt wurden.

Perspektiven? Auch das Streitgespräch zwischen Martha Rosenkranz aus dem Bundesvorstand und Elke Kiltz, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der grünen Bundestagsfraktion, spannte den Bogen nicht weiter. „Das Private ist politisch - ist das Politische privat?“ Es sollte um weibliche Lebensentwürfe und Wahl(un)freiheit gehen, verhedderte sich aber in der Streitfrage um den von den Grünen geforderten Familienurlaub. Der Blick „aus dem grünen Wohnzimmer hinaus in die Welt“ (Sigrun Klüger) wurde nicht gewagt. Und wer glaubte, der Zoff auf dem jüngsten grünen Perspektivenkongreß, bei dem zwei feministische Wissenschaftlerinnen aus Aktualitätsgründen kurzerhand ausgeladen und das autonome Frauenplenum aus Protest abgesagt worden war, würde bei diesem Ratschlag heftig nachklingen, hatte sich geirrt. Gedämpft ging's zu - und resigniert. Die grünen Feministinnen haben sich aufs „Überwintern“ eingestellt.