Aufrüsten für die Panzerschlachten der 90er

■ Rüstungsrezension des Friedensforschers Ulrich Albrecht: Chrysler M-1 / Amerikaner bekommen in West-Berlin neue Super-High- Tech-Panzer / Warum Berliner Autofahrer lieber Abstand halten sollten / Der „sound of freedom“ per Gasturbine nun auch in Berlin

Die amerikanischen Truppen in Berlin wechseln gerade ihre wichtigste Waffe, die schweren Panzer, und gehen zu einem neuen Modell über. Nach drei Jahrzehnten der rüstungstechnischen Stagnation erfolgt nunmehr im US-Arsenal Berlin ein entschiedener Schritt vorwärts. (Na, na: Auf dem Militärgebiet ist jede „Weiterentwicklung“ doch eigentlich eher ein Rückschritt, oder? d. säzzer) Die veralteten 22M-60 Tanks (Beginn der Serienproduktion 1959) werden durch das seit 1980 produzierte Modell M-1 von Chrysler ersetzt. Anlaß genug, der Neuheit eine Rezension zu widmen.

Mit der Ankunft der neuen US-Tanks verbinden sich gemischte Gefühle, zumindest für Deutsche. Hätten die Berliner doch fast deutsche Leo II - in amerikanischer Livree - begrüßen können. Das Produkt der Firma Krauss-Maffei stand nämlich seinerzeit im direkten Wettbewerb mit der Chrysler -Konstruktion. Die deutsche Industrie denkt mit Verbitterung daran, wie sie diesen Kampf um den amerikanischen Panzerauftrag verlor. Trösten können sich die Berliner allerdings beim Blick auf die Kanonen der neuen Tanks. Diese stammen von dem international bekannten Rüstungskonzern Rheinmetall. Zumindest bei der 12-cm-Kanone der neuen US -Panzer werden die Westberliner ihre Sicherheit künftig deutscher Wertarbeit anvertrauen können.

Die neuen Panzer stellen ein rollendes Elektronikpaket dar. Kanone und Sichtgeräte des Kommandanten sind selbstverständlich „stabilisiert“ - egal, wie der fahrende Tank schwankt, sie bleiben auf einen ausgewählten Zielpunkt fixiert. Die Fähigkeit zu nächtlichen Panzerschlachten wird durch Infrarotsichtgeräte hergestellt, Laserentfernungsmesser und Digitalrechner sind eine Selbstverständlichkeit.

Den Berliner wird notgedrungen bald die wichtigste Neuerung dieser Fahrzeuge auffallen. Statt von einem Dieselmotor werden sie nämlich von einer Gasturbine angetrieben. Diese vermag zwar die 54 Tonnen wiegenden Kolosse binnen 6,1 Sekunden mittels ihrer 1.500 PS auf 32 Kilometer pro Stunde zu beschleunigen. Das Gewinsel und Gejaule dieser Düsen wird aber bald etwas vom „sound of freedom“ in die Mauerstadt einbringen, der bislang wg. Mangels an militärischen Tieffliegern solche Lärmbelästigung erspart geblieben ist. Automobilisten wird von dem so beliebten dichten Auffahren hinter den Tanks abgeraten - die heißen Turbinenabgase lassen schon mit Blick auf den Lack der Pkws ein solches Verhalten als inopportun erscheinen. Der Anblick der unförmigen Panzertürme der M-1 mag bei den Berlinern Rätsel auslösen. Ist man ansonsten sorgfältige Rundungen, die Vermeidung von Fangstellen für gegnerische Geschosse gewohnt, so fällt an dem neuen Ami-Panzer die Verwendung planer Flächen auf, die kantig miteinander verschnitten sind.

Jenseits der Mauer tut sich allerdings Ähnliches. Britischen Videos zufolge haben die Sowjets kürzlich ein Rudel ihres neuesten Panzers T-80 an der Mauer entlangfahren lassen. Panzertechnisch sind die T-80 sogar einen Schritt weiter als die neuen US-Tanks: ihre Türme weisen sogenannte Explosivpanzerungen auf. Das sind kleine Sprengladungen, die beim Aufschlagen von gegnerischen Granaten zünden und deren Wirkung weitgehend neutralisieren. Aufgrund der neuen Ost -West-Beweglichkeit haben ja nun Berliner aus beiden Teilen der Stadt Gelegenheit, vergleichend die Panzertechnik zu studieren, mit der sie im Zweifelsfalle voreinander geschützt werden, und sich vom Fortschritt des Wettrüstens persönlich zu überzeugen. Warum die US -Streitkräfte überhaupt neue Panzer brauchen, wie man im Zweifelfall mit 12-cm-Kanonen in Berlin Straßenkampf machen will, wie überhaupt die Stadt militärisch verteidigt werden könnte - das wird bei der öffentlichen Vorführung der neuen Panzerfahrzeuge keiner der dann das Wort ergreifenden Würdenträger fragen. Das müssen die Berliner schon selber tun.

Ulrich Albrecht